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Welche Routen der klinischen Bewertung von Medizinprodukten gibt es?

Bei medXteam stehen klinische Daten im Mittelpunkt. In diesem Kontext führen wir als CRO nicht nur klinische Prüfungen mit Medizinprodukten gemäß MDR und ISO 14155 durch, sondern bieten auch sämtliche weiteren Möglichkeiten und Formen der Datenerhebung und Produktzulassung sowie Marktüberwachung an. Im Fokus steht sowohl bei der Produktzulassung als auch im Rahmen der klinischen Nachbeobachtung immer die klinische Bewertung. Doch wie kann eine klinische Bewertung durchgeführt werden? Welche Möglichkeiten gibt es, die klinische Evidenz zu erbringen? Und welche Rolle spielen dabei die verschiedenen Routen der klinischen Bewertung? In diesem Blogbeitrag gehen wir diesen Fragen nach und erklären dabei insbesondere, was die drei Routen der klinischen Bewertung bedeuten, wann sie angewendet werden können und wie sie sich auf verschiedene Produktgruppen auswirken.

Abkürzungen

MDR            Medical Device Regulation; EU-Verordnung 2017/745

PMCF           Post-Market Clinical Follow-up, klinische Nachbeobachtung

CEP             Clinical Evaluation Plan

CDP            Clinical Development Plan

Zugrundeliegende Regularien

EU-Verordnung 2017/745 (MDR)

1. Einleitung

Die klinische Bewertung bildet einen essenziellen Schritt für jeden Hersteller von Medizinprodukten. Es ist erforderlich, für jedes Medizinprodukt einen umfassenden klinischen Bewertungsbericht (engl. Clinical Evaluation Report, CER) zu erstellen, der eine gründliche Literaturrecherche beinhaltet. Bereits vor dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2017/745 (MDR) war dies Standardverfahren. Gemäß Artikel 61 der MDR ist daher die Planung und Durchführung einer klinischen Bewertung für sämtliche Medizinprodukte - von Klasse I bis Klasse III - vorgeschrieben:

Der Hersteller legt den Umfang des klinischen Nachweises fest und begründet ihn, um die Erfüllung der relevanten grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen nachzuweisen. Der Umfang des klinischen Nachweises muss den Merkmalen des Produkts und seiner Zweckbestimmung angemessen sein. Zu diesem Zweck führen Hersteller eine klinische Bewertung gemäß diesem Artikel und Anhang XIV Teil A durch, planen sie und dokumentieren sie.“ (Siehe Artikel 61 der MDR)

Dieser Prozess beginnt bereits früh im Entwicklungsprozess. Der Plan für die klinische Bewertung (engl. Clinical Evaluation Plan, CEP) wird in der Regel kurz nach der Festlegung der Produktidee, der Zweckbestimmung und der initialen Gefährdungsanalyse des Medizinprodukts erstellt.

Während der Planung im CEP wird die Route festgelegt, welche Daten für die klinische Bewertung einbezogen werden sollen. Dazu gehören initiale Literaturrecherchen abhängig vom definierten Produkt sowie eine Marktbewertung in Bezug auf ähnliche Produkte und möglicherweise vorhandene klinische Daten in Publikationen und zum Stand der Technik im Anwendungsgebiet des Medizinprodukts.

Diese Informationen ermöglichen es, eine klinische Strategie für das Produkt festzulegen und diese im klinischen Entwicklungsplan (engl. Clinical Development Plan, CDP) festzuhalten.

Der frühe Zeitpunkt ist entscheidend, da die klinische Strategie und die daraus resultierende Route für die klinische Bewertung erheblichen Einfluss auf Zeit und Kosten des gesamten Entwicklungsprojekts haben. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob eine klinische Prüfung noch in den Validierungspart integriert werden muss. Dies kann den Abschluss des Konformitätsbewertungsverfahrens und die CE-Kennzeichnung des Medizinprodukts um Jahre verzögern.

Die frühzeitige Planung ist auch deshalb wichtig, da sich dadurch die Zweckbestimmung noch ändern kann. Da diese die Grundlage des Entwicklungsprozesses bildet, können Änderungen zu einem fortgeschrittenen Zeitpunkt erhebliche Auswirkungen auf Zeit und Kosten des Projekts haben. (siehe hierzu auch unser Blog-Beitrag zur klinischen Strategie)

Daher sollte sich jeder Hersteller so früh wie möglich mit folgenden Fragen befassen:

Welche Produktklasse hat das Medizinprodukt? Für implantierbare Produkte der Klasse IIb und alle Klasse III Produkte ist nach unserer Erfahrung der Weg über eigene klinische Daten unumgänglich.

Wo liegt der Unterschied zu existierenden Produkten? Der Innovationsgrad des Produkts ist hier entscheidend.

Auf diese Fragen gibt nun dieser Blog-Beitrag die entsprechenden Antworten.

2. Die 3 Routen der klinischen Bewertung

Gemäß der MDR bezeichnet die klinische Bewertung einen strukturierten und geplanten Prozess zur fortlaufenden Generierung, Sammlung, Analyse und Bewertung von klinischen Daten eines Produkts, um dessen Sicherheit, Leistung und den klinischen Nutzen bei vorgesehener Verwendung durch den Hersteller zu überprüfen (MDR Art. 2, Satz 44). Klinische Daten werden wie folgt definiert:„Klinische Daten“ sind Informationen über die Sicherheit oder Leistung eines Produkts, die während seiner Anwendung gewonnen werden und aus verschiedenen Quellen stammen können (MDR Art. 2, Satz 48):

Klinische Studien des betreffenden Produkts.

  • Klinische Studien oder andere Studien in der wissenschaftlichen Fachliteratur, die die Ähnlichkeit mit dem betreffenden Produkt nachweisen können.
  • Berichte über klinische Erfahrungen mit dem Produkt oder ähnlichen Produkten, die nach dem Peer-Review-Verfahren in der wissenschaftlichen Fachliteratur veröffentlicht wurden.
  • Klinisch relevante Informationen aus der Post-Marketing-Überwachung, einschließlich der klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen.

Daraus ergeben sich drei mögliche Routen für die klinische Bewertung:

Eigene klinische Daten: Diese Route beinhaltet die Durchführung einer klinischen Studie mit dem betreffenden Produkt gemäß Artikel 62 der MDR, was eine sorgfältige Planung und Durchführung erfordert.

Klinische Daten zu äquivalenten Produkten: Hier werden klinische Daten zu ähnlichen Produkten aus der Fachliteratur verwendet oder es liegt bereits eine klinische Studie mit einem äquivalenten Produkt vor.

Verwendung von Leistungsdaten: Diese Route wird angewendet, wenn eine klinische Studie am Menschen nicht möglich oder sinnvoll ist. Stattdessen werden Leistungsdaten, auch Verifikationsdaten genannt, verwendet. Diese Daten basieren auf nichtklinischen Testmethoden, einschließlich Leistungsbewertung, technischer Prüfung und vorklinischer Bewertung.

Abb. 1 Die drei Routen der klinischen Bewertung

Es ist wichtig zu beachten, dass die dritte Route, obwohl in der MDR spezifiziert, bereits in der Richtlinie 93/42/EWG, MDD ähnlich festgelegt wurde. In den folgenden Abschnitten werden alle drei Routen im Detail beschrieben, wobei besonders auf die dritte Route eingegangen wird.

2.1 Eigene klinische Daten

Insbesondere für implantierbare Medizinprodukte der Klasse IIb stellt die Generierung eigener klinischer Daten unter der MDR die vorherrschende Methode dar. Während unter der Richtlinie 93/42/EWG die klinische Bewertung für diese Produkte noch über klinische Daten zu äquivalenten Produkten erfolgen konnte, ist dieser Ansatz unter den massiv verschärften Anforderungen der MDR nicht mehr möglich. Insbesondere die Voraussetzung, einen Vertrag mit dem Hersteller des potenziell äquivalenten Produkts abzuschließen, um vollständigen Zugang zu dessen technischer Dokumentation zu erhalten (MDR, Art. 61, Abschn. 5), schließt die Option der Nutzung äquivalenter Produkte vollständig aus:

Ein Hersteller eines Produkts, das nachweislich einem bereits in Verkehr gebrachten, nicht von ihm hergestellten Produkt gleichartig ist, kann sich ebenfalls auf Absatz 4 berufen, um keine klinische Prüfung durchführen zu müssen, sofern zusätzlich zu den Anforderungen des genannten Absatzes die folgenden Bedingungen erfüllt sind: – Die beiden Hersteller haben einen Vertrag geschlossen, in dem dem Hersteller des zweiten Produkts ausdrücklich der uneingeschränkte Zugang zur technischen Dokumentation durchgängig gestattet wird, (…)“

Dieser Weg über eigene klinische Daten ist nicht nur für implantierbare Produkte der Klasse IIb und Klasse III obligatorisch, sondern auch für innovative Produkte mit klinischen Behauptungen zur Nutzen oder Wirksamkeit des Produkts. Für solche innovativen Produkte gibt es in der Regel keine äquivalenten Produkte, und die Route über Leistungs-/Verifizierungsdaten kann ebenfalls nicht gewählt werden, da klinische Behauptungen zwingend durch eigene klinische Daten nachgewiesen werden müssen.

Ein konkretes Beispiel wäre ein Produkt, dessen klinischer Nutzen die Reduktion von Schmerzen oder die Verbesserung der Lebensqualität ist. Die Wahl des Weges für die klinische Bewertung hängt hier vom Innovationsgrad des Produkts ab, unabhängig von dessen Klassifizierung. Dies kann sogar für Produkte der Klasse I gelten.

2.2 Die Äquivalenzroute

Unter der Richtlinie 93/42/EWG, MDD bzw. vor der Einführung der MDR galt die Äquivalenzroute als Standardverfahren – der sogenannte Goldstandard – für klinische Bewertungen. Wenn man jedoch klinische Daten zu einem äquivalenten Produkt nutzen möchte, um die Behauptungen zur Sicherheit, klinischen Leistung und klinischen Nutzen des eigenen Produkts zu untermauern, muss zunächst durch eine Literatursuche festgestellt werden, ob überhaupt klinische Daten zu diesem Produkt verfügbar sind. Ist dies nicht der Fall, ist eine obligatorische Äquivalenzbewertung nicht möglich. Liegen Daten zu diesem potenziellen Äquivalenzprodukt vor, dann wird in einem solchen Fall zunächst analysiert, ob das potenzielle Äquivalenzprodukt tatsächlich gleichwertig ist. Früher wurden für diese Analyse Bewertungskriterien verwendet, die bis zum Inkrafttreten der MDR im Mai 2021 im Leitfaden MEDDEV 2.7/1 Rev. 4.3 für klinische Bewertungen festgehalten waren.

Diese Kriterien zielten auf die klinischen, technischen und biologischen Eigenschaften des Äquivalenzprodukts ab, die mit dem eigenen Produkt verglichen wurden, um festzustellen, ob sie in einigen Aspekten gleich oder nur ähnlich sind. Beispielsweise mussten sie möglicherweise für dieselben Indikationen eingesetzt werden (klinische Merkmale), während technische Merkmale wie Durchmesser und Größe ähnlich sein konnten.

Mit der Einführung der MDR und des zugehörigen MDCG-Dokuments 2020-05 („Clinical Evaluation – Equivalence: A guide for manufacturers and notified bodies“) wurden diese Kriterien drastisch verschärft. Insbesondere im Hinblick auf die technische und biologische Äquivalenz müssen die Produkte in ihren Merkmalen nun deutlich häufiger identisch sein als zuvor. Beispielsweise erfordert die Bewertung der Äquivalenz bei einer Software als Medizinprodukt möglicherweise den Zugang zu vollständigen Algorithmen und Source Codes der anderen Software, wobei diese Merkmale dann identisch sein müssten. Bei stofflichen Medizinprodukten müssen beide Produkte aus genau denselben Stoffen bestehen und in derselben Konzentration vorliegen, und auch die Produktrückstände müssen identisch sein.

Solche detaillierten Daten zum potenziellen Äquivalenzprodukt liegen in der Regel nicht vor, da niemand Zugriff auf solche Details einer Software oder exakten stofflichen Konzentrationen und Rückstände eines Produkts hat. Und genau das erschwert zunehmend die Äquivalenzroute bzw. macht sie gar unmöglich.

2.3 Leistungsdaten

Der Weg, die klinische Leistung eines Produkts über Leistungsdaten nachzuweisen, war schon immer möglich und bleibt es auch weiterhin unter der MDR (Artikel 61):

Wird der Nachweis der Übereinstimmung mit grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen auf der Grundlage klinischer Daten für ungeeignet erachtet, ist jede solche Ausnahme auf der Grundlage des Risikomanagements des Herstellers und unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale des Zusammenspiels zwischen dem Produkt und dem menschlichen Körper, der bezweckten klinischen Leistung und der Angaben des Herstellers angemessen zu begründen; dies gilt unbeschadet des Absatzes 4. In diesem Fall muss der Hersteller in der technischen Dokumentation gemäß Anhang II gebührend begründen, warum er den Nachweis der Übereinstimmung mit grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen allein auf der Grundlage der Ergebnisse nichtklinischer Testmethoden, einschließlich Leistungsbewertung, technischer Prüfung („bench testing“) und vorklinischer Bewertung, für geeignet hält.“

Die Entscheidung basiert auf verschiedenen Überlegungen:

  • dem Ergebnis des Risikomanagements
  • den Besonderheiten der Wechselwirkung zwischen Körper und Produkt
  • dem Nachweis der Leistungsfähigkeit basierend auf Produktprüfungen (technisch, in-vitro)
  • dem Ergebnis der vorklinischen Bewertung (initiale Literaturrecherche, Verifizierungstests usw.)

Diese Entscheidung muss im Plan für die klinische Bewertung angemessen begründet und dokumentiert werden.

Diese Route wird gewählt, wenn eine klinische Prüfung wenig Sinn ergibt. Ein klassisches Beispiel hierfür ist der Mundspatel aus Holz, für den klinische Daten in der Literatur nicht verfügbar sind. In solchen Fällen belegen technische Daten wie Bruchfestigkeit und Verarbeitung die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Produkts.

Obwohl diese Route in der Vergangenheit weniger genutzt wurde, da sie oft weniger bekannt war und üblicherweise die Route über ein Äquivalenzprodukt genutzt wurde, ist sie für eine Vielzahl von Produkten geeignet.

2.3.1 Beispiel – Medizinische Software

Die meisten Software-Produkte (Klasse I und IIa) sind Beispiele für Produkte, bei denen der Weg über Leistungsdaten sinnvoll ist. Die Begründung für diese Entscheidung ist wie folgt:

Das Produkt wurde im Rahmen des Software-Lebenszyklusprozesses gemäß IEC 62304 umfassend verifiziert, und alle Tests wurden erfolgreich abgeschlossen. Die Tests umfassten Unit-Tests, Integrationstests, Systemtests und Usability-Tests. Basierend auf diesen Tests kann gezeigt werden, dass das Produkt effektiv funktioniert.

Gemäß MDCG-2020-1 (Guidance on Clinical Evaluation (MDR)/Performance Evaluation (IVDR) of Medical Device Software) wird die wissenschaftliche Validität als das Ausmaß definiert, in dem der Output des Software-Produkts auf der Grundlage der ausgewählten Inputs und Algorithmen mit dem angestrebten physiologischen Zustand oder der klinischen Erkrankung assoziiert ist. Um den Nachweis der wissenschaftlichen Validität zu erbringen, wird eine Literatursuche durchgeführt, die auch den Nachweis des Nutzens gemäß der MDR sowie die Ermittlung des State-of-the-Arts und die Identifizierung der Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Medizinprodukts beinhaltet.

Die klinisch relevanten Komponenten des Systems sind die Implementierungen der Algorithmen/Fragebögen zur Diagnose oder zum Therapieverlauf. Die Literaturrecherche konzentriert sich auf Scores/Erkennungsalgorithmen sowie auf den allgemeinen Einsatz digitaler Produkte in der Diagnose/Therapie der genannten Indikationen.

Tabelle 1: Klinische Bewertung eines Softwareproduktes

2.3.2 Beispiel – Zahnarztstuhl

Ein weiteres Produkt, dessen klinische Leistung, Sicherheit und Nutzen gut über Leistungsdaten bewertet werden können und für das eine klinische Prüfung keinen Sinn ergibt, ist die dentale Behandlungseinheit: der Zahnarztstuhl.

Solche Produkte sind aktive Medizinprodukte, die zur Behandlung von Kindern und Erwachsenen im zahnmedizinischen Bereich dienen. Diese Produkte sind zahnärztliche Behandlungsgeräte nach ISO 7494 mit einem zahnärztlichen Patientenstuhl nach ISO 6875. Sie sind ausschließlich für den Einsatz in der Zahnheilkunde vorgesehen und dürfen nur von medizinischem Fachpersonal bedient werden. Die dentale Behandlungseinheit wird als Hilfsmittel zur Patientenlagerung und zur Behandlung im dentalmedizinischen Bereich eingesetzt. Abhängig davon, ob Dentalinstrumente Teil dieser Behandlungseinheit sind und wenn ja, welche, werden diese Produkte in die Klasse IIa oder IIb eingestuft.

Aufgrund der klaren Zweckbestimmung dieser Produkte erübrigt sich die Frage, ob eine klinische Prüfung am Menschen durchgeführt werden soll. Die Behauptungen zum Produkt beziehen sich auf die Ergonomie sowohl für den Patienten als auch für den Behandler und Anwender des Produkts. Außerdem wird ein effizientes und einfaches Arbeiten hervorgehoben, und vorgeschriebene Verfahren sowie unterstützende Komponenten dienen der Erleichterung der Infektionskontrolle und der Aufrechterhaltung der Wasserqualität. Diese Aussagen sind keine geeigneten Endpunkte für eine klinische Prüfung. Sie können jedoch mit Leistungsdaten belegt werden. Zum Beispiel kann das Thema Ergonomie und einfache Anwendung über den Test zur Gebrauchstauglichkeit (DIN EN 62366-1) belegt werden. Die Einhaltung der jeweiligen Normen und Vorschriften zur Wasserhygiene und -qualität bestätigt ebenfalls diese Behauptungen zum Produkt. Die Begründung für die Wahl des Weges über Leistungsdaten ist hier nun in Tabelle 2 aufgeführt:

Tabelle 2: Klinische Bewertung eines aktiven Produkts

2.3.3 Beispiel – Herzrhythmus Detektor

Ein weiteres Beispiel ist ein Klasse IIa-Produkt, das Episoden von unregelmäßigem Herzrhythmus, die auf Vorhofflimmern hinweisen, durch Langzeitüberwachung der Pulsparameter über mehrere Tage bis zu vier Wochen erkennen kann. Es unterstützt somit die Diagnose, indem es Hinweise auf Vorhofflimmern liefert.

Diesem Produkt liegt eine eingebettete Software zugrunde, über deren Algorithmus die Episoden erkannt und entsprechend angezeigt werden. Die Verifizierung und Validierung der Software liefert bereits entscheidende Daten zur Funktionsweise dieses Medizinprodukts. Trotz der Möglichkeit, eine klinische Prüfung am Menschen durchzuführen, müssen auch ethische Bedenken berücksichtigt werden. Eine Ethikkommission prüft genau diese Aspekte. Es gibt jedoch alternative Wege, um klinische Daten zur Erfüllung der klinischen Leistung und Funktion des Produkts zu generieren. Beispielsweise können Episoden über Simulationstests eingespielt werden, um zu überprüfen, ob der Algorithmus sie korrekt erkennt. Auch hier bedarf es keiner Humanstudie, um diesen Nachweis zu erbringen. Die Begründung für diese Route ist in der folgenden Tabelle aufgeführt:

Tabelle 3: Klinische Bewertung Herzrhythmus-Detektor

2.3.4 Beispiel – Dentalimplantat

Selbst mit einem implantierbaren Produkt kann dies ein gangbarer Weg sein, wie unser letztes Beispiel aus der Zahntechnik zeigt: Die Titanbasis ist ein Teil eines Dentalimplantats, ein implantierbares Medizinprodukt der Klasse IIb. Die Titanbasis dient der Herstellung eines individuell angefertigten implantatprothetischen Aufbaus. Sie stellt nach dem Verkleben mit einem CAD/CAM gefrästen Aufbau das Verbindungselement zum Implantat dar. Sie kann auch einzeln vertrieben werden, sodass auch für dieses Produkt eine klinische Bewertung erstellt werden muss.

Bei der Durchführung einer Literatursuche im Bereich der Dentalimplantate stößt man schnell auf die Grenzen solcher Systemkomponenten. Denn es gibt noch keine Humanstudie, die ausschließlich die Titanbasis als Prüfprodukt untersucht hat. Publiziert wurden lediglich In-vitro-Studien oder Studien zu Materialeigenschaften (Titan) usw. Wie die Wahl der Route über Leistungsdaten in diesem Fall begründet wird, ist in Tabelle 4 aufgeführt:

Tabelle 4: Klinische Bewertung Titanbasis

2.3.5 Fazit aus den Beispielen

Bei all diesen Beispielen hat auch der Abschnitt zur klinischen Bewertung des Standes der Technik einen hohen Stellenwert. Viele Produkteigenschaften oder -funktionen und in vielen Fällen auch der klinische Nutzen lassen sich über Leitlinien, technische Dokumente sowie Standards belegen. Was bei diesen Beispielen ebenfalls unterstützend hinzukommt, ist die Datenerhebung im Rahmen der klinischen Nachbeobachtung (Post-Market Clinical Follow-up, PMCF) – nachdem das Produkt in Verkehr gebracht wurde und das CE-Kennzeichen trägt. Aus einer klinischen Bewertung, die auf Leistungsdaten fußt, resultieren in der Regel Maßnahmen im Rahmen der klinischen Nachbeobachtung. Diese können von fokussierten Literatursuchen über Produktregister bis hin zu Anwendungsbeobachtungen und PMCF-Studien reichen. Damit lassen sich gezielt Lücken schließen, die über die Leistungsdaten noch nicht vollumfassend belegt werden konnten. Eine solche Vorgehensweise wird bei einer korrekten Begründung auch von den Benannten Stellen anerkannt und akzeptiert.

3. Schlussfolgerung

Bisher wurden für viele Medizinprodukte die Äquivalenzroute und die Nutzung klinischer Daten zu einem oder mehreren Äquivalenzprodukten unabhängig von der Klasse des Medizinprodukts gewählt. Mit dem Inkrafttreten der MDR hat sich dies jedoch vollständig geändert. Aufgrund der strengeren Regulierungen, insbesondere für implantierbare und Klasse III Produkte, ist diese Route kaum noch möglich. Dies liegt sowohl an der erschwerten Nachweisführung der Äquivalenz als auch an den konkreten Vorschriften, wie dem Vertragsabschluss zwischen den Herstellern (MDR, Art. 61 Abschn. 5). Diese Veränderung dürfte wahrscheinlich auch das angestrebte Ziel der Macher der MDR gewesen sein.

Daher ist es entscheidend, bereits zu Beginn des Entwicklungsprozesses initiale Literaturrecherchen durchzuführen und die klinische Strategie zu überdenken. Dies ermöglicht eine umfassende Betrachtung der Datensituation und des Standes der Technik zum Produkt. Eine frühzeitige Festlegung der Zweckbestimmung kann dazu führen, dass der Weg über Leistungsdaten eingeschlagen werden kann, was nun an Bedeutung gewinnt und bei immer mehr Produkten Anwendung findet. Die Beispiele in diesem Beitrag zeigen, dass dies möglich ist, wenn es fundiert begründet werden kann. Dennoch darf auch bei einer klinischen Bewertung basierend auf Leistungsdaten eine Literatursuche nicht vernachlässigt werden. Daten zum Stand der Technik, Leitlinienempfehlungen sowie technische Standards tragen hier maßgeblich zur Beurteilung bei.

4. Wie wir Ihnen helfen können

Als CRO unterstützen wir Sie über den gesamten Prozess der Generierung und Bewertung klinischer Daten und bei der Zulassung und Marktüberwachung Ihres Produkts. Und dabei beginnen wir mit der klinischen Strategie! Außerdem erstellen wir die komplette klinische Bewertungsakte für Sie.

Im Falle von klinischen Prüfungen überlegen wir gemeinsam mit Ihnen, ob überhaupt und wenn ja welche klinische Prüfung unter welchen Voraussetzungen und gemäß welchen Anforderungen durchgeführt werden muss. Das klären wir im Rahmen der Pre-Study Phase: In 3 Schritten ermitteln wir die richtige und kosteneffiziente Strategie in Bezug auf die in Ihrem Fall erforderliche klinische Datenerhebung.

Wenn eine klinische Prüfung durchgeführt werden soll, müssen zuvor grundlegende Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllt sein. Die Daten aus der klinischen Prüfung münden dann in die klinische Bewertung, die wiederum die Basis für Post-Market-Clinical-Follow-up (PMCF)-Aktivitäten (ggf. einschließlich einer PMCF-Studie) darstellt.

Außerdem benötigen alle Hersteller von Medizinprodukten ein Qualitätsmanagement system (QMS), auch bei der Entwicklung von Produkten der Klasse I.

Wir unterstützen Sie während Ihres kompletten Vorhabens mit Ihrem Medizinprodukt, beginnend bei einer kostenlosen Erstberatung, Hilfe bei der Einführung eines QM Systems, Studienplanung und Durchführung bis hin zur Technischen Dokumentation - immer mit primärem Bezug auf die klinischen Daten zum Produkt: von Anfang an bis zum Ende.

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Warum ist die klinische Strategie bei der Medizinprodukteentwicklung so wichtig?

 Bei medXteam stehen klinische Daten im Mittelpunkt. In diesem Kontext führen wir als CRO nicht nur klinische Prüfungen mit Medizinprodukten gemäß MDR und ISO 14155 durch, sondern bieten auch sämtliche weiteren Möglichkeiten und Formen der Datenerhebung und Produktzulassung sowie Marktüberwachung an. Schon ganz am Anfang einer Produktidee, aber auch in Bezug auf den MDR-Transfer von Bestandsprodukten, spielt die klinische Strategie eine wesentliche Rolle. Sie ebnet nicht nur den Weg für die Erhebung und Bewertung der erforderlichen klinischen Daten, sondern ist auch die Basis für Zeit- und Kostenplanungen. Auf genau diese elementare Rolle geht nun dieser Blogbeitrag ein: Was ist die klinische Strategie und warum ist sie so entscheidend?

Abkürzungen

MDR            Medical Device Regulation; EU-Verordnung 2017/745

PMCF           Post-Market Clinical Follow-up, klinische Nachbeobachtung

CEP             Clinical Evaluation Plan

CDP            Clinical Development Plan

Zugrundeliegende Regularien

EU-Verordnung 2017/745 (MDR)

1. Einleitung

Die Entwicklung eines neuen Produkts oder der MDR-Transfer eines Bestandsprodukts stellt Hersteller von Medizinprodukten vor umfangreiche Herausforderungen. Eine davon ist die frühzeitige Entwicklung einer klinischen Strategie. Die MDR verlangt in Anhang XIV explizit die Erstellung eines klinischen Entwicklungsplans. Dieser Plan soll alle Phasen von der Idee bis zur Markteinführung und darüber hinaus abdecken, einschließlich explorativer Studien, Durchführbarkeitsstudien, Pilotstudien, Bestätigungsstudien wie pivotaler klinischer Prüfungen und der klinischen Überwachung nach dem Inverkehrbringen. Die Definition von Etappenzielen und die Beschreibung möglicher Akzeptanzkriterien sind dabei wesentliche Bestandteile.

Die Bedeutung einer solchen klinischen Strategie lässt sich auf mehrere Schlüsselfaktoren zurückführen. Einerseits ermöglicht sie eine klare Strukturierung und Planung des Entwicklungsprozesses. Durch die frühzeitige Festlegung von Zielen und Kriterien können Entwicklungszeit und -kosten effizient gesteuert und potenzielle Risiken minimiert werden. Andererseits dient die klinische Strategie nicht nur der Erfüllung regulatorischer Anforderungen, sondern auch der Sicherstellung, dass das Produkt später den Patienten den größtmöglichen Nutzen bringen wird. Sie unterstützt Hersteller dabei, frühzeitig evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen und das Produkt im Hinblick auf seine klinische Leistung, Sicherheit und seinen Nutzen einordnen zu können.

Zusätzlich liefert die klinische Strategie wertvollen Input für das Risikomanagement. Ein wesentlicher Teil der Strategie umfasst die Durchführung einer umfassenden Literaturrecherche, um bestehendes Wissen über ähnliche Produkte oder Technologien zu integrieren und frühzeitig potenzielle Risiken zu identifizieren. Diese Informationen sind entscheidend, um Risiken zu bewerten, zu steuern und letztendlich zu minimieren.

Wie das funktioniert und was dabei zu beachten ist, wird nun im Folgenden beschrieben.

2. Produktidee, Entwicklungsbeginn oder Neuanfang mit der MDR

Egal, ob es sich um ein neues Produkt handelt, eine Idee zu einem neuen Produkt geboren wurde oder das Bestandsprodukt an die MDR-Anforderungen angepasst werden muss, es ist immer zu prüfen, welche Daten und klinischen Daten für die Erstellung der initialen klinischen Bewertung benötigt werden. Wurde diese erstellt, so ist sie dann regelmäßig zu aktualisieren, im Bereich der klinischen Nachbeobachtung (Post-Market Clinical Follow-up, PMCF) sind klinische Daten zu erheben. Darüber hinaus ist im Plan zur klinischen Bewertung (Clinical Evaluation Plan, CEP) ein sogenannter klinischer Entwicklungsplan (Clinical Development Plan, CDP) zu erstellen, der im Grunde eben genau das, nämlich welche Daten benötigt werden und erhoben werden müssen, enthält. Um das nun festlegen zu können, wird eine klinische Strategie benötigt.

2.1 Was ist die klinische Strategie?

Die klinische Strategie ist ein umfassender, systematischer Ansatz, der die Identifikation, Sammlung, Analyse und Aktualisierung von klinischen Daten über den gesamten Lebenszyklus eines Medizinprodukts hinweg steuert. Sie dient dazu, die Sicherheit, Wirksamkeit und Leistung des Produkts zu bewerten und zu dokumentieren, sowohl bei der initialen Entwicklung als auch bei der Anpassung an regulatorische Anforderungen wie die der Medizinprodukteverordnung (MDR). Kernstück der klinischen Strategie ist die Erstellung und regelmäßige Aktualisierung einer initialen klinischen Bewertung. Diese Bewertung erfordert eine sorgfältige Prüfung, welche spezifischen Daten und klinischen Beweise benötigt werden, um den Nutzen und die Risiken des Produkts zu belegen.

Die klinische Strategie bildet die Basis für den Clinical Evaluation Plan (CEP), der einen Clinical Development Plan (CDP) beinhaltet. Diser CDP definiert detailliert, welche Daten und klinischen Nachweise für die Erstellung der klinischen Bewertung erforderlich sind und wie diese erhoben werden sollen. Dies umfasst sowohl die Planung und Durchführung von Studien vor der Markteinführung (wie First-in-man-Studien, Durchführbarkeitsstudien, Pilotstudien und pivotale klinische Prüfungen) als auch die fortlaufende Sammlung von Daten nach der Markteinführung durch Post-Market Clinical Follow-up (PMCF) Maßnahmen.

Die klinische Strategie ist somit die Grundlage für die kontinuierliche Erhebung von (klinischen) Daten über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg. Durch die frühzeitige und systematische Planung klinischer Daten und Bewertungen hilft die klinische Strategie, Risiken zu minimieren, Entwicklungseffizienz zu steigern, bestehende Lücken (Gaps) aufzuzeigen und letztendlich die Markteinführung oder den MDR-Transfer von Medizinprodukten zu beschleunigen.

2.2 Aufbau einer klinischen Strategie

Die Entwicklung einer klinischen Strategie stellt einen vielschichtigen und unverzichtbaren Vorgang dar, der weitreichende Bereiche umfasst und tiefgehend in die Planung sowie Umsetzung der Entwicklung und Beurteilung von Medizinprodukten eingebettet ist. Nachfolgend werden die methodische Strukturierung und die Inhalte einer solchen Strategie ausführlich erörtert. Die klinische Strategie ist ein umfassendes Konzept, das diverse Aspekte abdeckt, um letztlich fundierte Schlussfolgerungen bezüglich des Produkts zu ermöglichen.

2.2.1  Produktbeschreibung mit Zweckbestimmung

Zu Beginn der klinischen Strategie steht die detaillierte Produktbeschreibung. Diese umfasst die Zweckbestimmung des Produkts, einschließlich der technischen Merkmale sowie der vorgesehenen Indikationen und Kontraindikationen. Darüber hinaus werden die Zielgruppen, also Patienten und Anwender, definiert. Diese erste Einordnung ist grundlegend, um das Produkt im medizinischen Kontext richtig zu positionieren und bildet die Basis für alle weiteren Schritte.

2.2.2 Spezifischer Entwicklungsprozess

Anschließend wird der spezifische Entwicklungsprozess für das Produkt aufgezeigt. Hierbei werden die relevanten Leistungs- und Sicherheitsbestimmungen gemäß Anhang I der MDR berücksichtigt. Somit findet eine weitere Einordnung des Produktes statt, um dann die richtigen Schlüsse für das weitere Vorgehen daraus fundiert ziehen zu können.

2.2.3 Dokumente und Nachweise

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil der klinischen Strategie ist die Definition der zu erstellenden Dokumente und der benötigten Nachweise gemäß Anhang II und III der MDR für die technische Dokumentation des Produktes. Diese Dokumente umfassen insbesondere die notwendigen Dokumente und Testverfahren zur Verifizierung und Validierung des Produktes, da dies ggf. für die Entscheidung für die richtige Route der klinischen Bewertung von Bedeutung ist.

2.2.4 Bestimmung ähnlicher Produkte

Ein wichtiger Schritt innerhalb der klinischen Strategie ist die Bestimmung ähnlicher oder gegebenenfalls sogar äquivalenter Produkte. Diese Analyse ermöglicht es, bereits vorhandenes Wissen und Daten zu nutzen, um die Entwicklung und Bewertung des eigenen Produkts zu unterstützen. Durch den Vergleich mit ähnlichen Produkten oder Anwendungen im selben Anwendungsgebiet lässt sich besser abschätzen, welche klinischen Daten bereits vorhanden oder erforderlich sind und wie diese am besten erhoben werden können.

2.2.5 Literatur- und Sicherheitsdatenbankensuche

Die klinische Strategie umfasst dann natürlich eine Literatursuche sowie die Suche in Sicherheitsdatenbanken nach ähnlichen oder äquivalenten Produkten. Diese Recherche dient dazu, den aktuellen Stand der Technik (State of the Art) zu erfassen und sicherzustellen, dass alle relevanten klinischen Daten und Informationen über Sicherheitsaspekte und über ähnliche Anwendungen, das Anwendungsgebiet des Medizinprodukts etc. berücksichtigt werden.

2.2.6 Einordnung des Produktes in den Anwendungskontext

Die gezielte Einordnung des Produkts in seinen Anwendungskontext baut auf den Erkenntnissen auf, die aus den vorangegangenen Schritten gewonnen wurden. Insbesondere die umfassende Literatursuche leistet hierzu einen wesentlichen Beitrag. Durch die Analyse vorhandener Daten zu ähnlichen oder äquivalenten Produkten und die Bewertung des aktuellen Stands der Technik können wichtige Einblicke in die praktischen Anwendungsbedingungen und die Bedürfnisse der Zielgruppe gewonnen werden.

Durch die Integration dieser vielfältigen Informationen wird die Einordnung des Produktes in den Anwendungskontext möglich. Diese berücksichtigt nicht nur die theoretische Zweckbestimmung des Produkts, sondern reflektiert auch dessen Einsatz in realen klinischen oder häuslichen Umgebungen. So kann eine realitätsnahe Einschätzung der Produktleistung unter typischen Anwendungsbedingungen erfolgen, was wiederum die Produktentwicklung und -bewertung optimiert.

2.3 Schlussfolgerungen aus der klinischen Strategie

Die sorgfältige Entwicklung einer klinischen Strategie für Medizinprodukte bringt weitreichende Schlussfolgerungen mit sich, die für die Ausrichtung des Produkts und dessen explizite Strategie entscheidend sind. Diese Schlussfolgerungen bieten nicht nur einen Leitfaden für die klinische Bewertung und den Entwicklungsprozess, sondern tragen auch dazu bei, das Produkt optimal auf den Markt und die Anwendung oder auf den MDR-Transfer vorzubereiten.

2.3.1 Fundament für die Route der klinischen Bewertung

Die klinische Strategie legt das Fundament für die Route der klinischen Bewertung und richtet die Planung des Entwicklungsprozesses strategisch aus. Hierbei sind drei Wege möglich:

1. Klinische Bewertung über eigene klinische Daten

Die Entscheidung für die Durchführung eigener klinischer Prüfungen ist dann notwendig, wenn keine alternativen Wege über Leistungsdaten oder Daten zu Äquivalenzprodukten gangbar sind, oder wenn das Produkt innovative klinische Claims aufweist, die eindeutig mit klinischen Daten untermauert werden müssen. Dieser Ansatz ist oft mit höheren Kosten und einem längeren Zeitrahmen verbunden.

2. Leistungs-/Verifizierungsdaten (MDR Art. 61(10))

Das Heranziehen von Verifizierungs- und Leistungsdaten sowie zusätzlicher Literatur zu ähnlichen Produkten ist eine weitere mögliche Route immer dann, wenn der direkte Nachweis der Übereinstimmung mit den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen auf Basis klinischer Daten für ungeeignet erachtet wird. Dieser Ansatz ist in der Regel zeit- und kosteneffizient, erfordert jedoch eine fundierte Begründung, warum er als angemessen betrachtet wird.

3. Daten zu Äquivalenzprodukten

Die Nutzung von Daten zu Äquivalenzprodukten ist eine weitere Möglichkeit, vorausgesetzt, es existieren solche Produkte und es liegen klinische Daten zu diesen vor. Diese Route war lange der Goldstandard der klinischen Bewertung. Durch die gestiegenen MDR-Anforderungen insbesondere an

  • implantierbare Klasse IIb und
  • alle Klasse III Produkte

sowie gestiegenen Anforderungen an den Äquivalenznachweis z. B. für Software findet diese kaum noch statt. Sollte dieser Weg dennoch möglich sein, kann damit natürlich die Notwendigkeit eigener klinischer Daten umgangen werden, was  potenziell den Entwicklungsprozess natürlich beschleunigt.

2.3.2 Aufdeckung weiterer Risiken und Nebenwirkungen

Die umfassende Sammlung und Analyse von Daten im Rahmen der klinischen Strategie hilft, weitere, bislang unbekannte Risiken und Nebenwirkungen, zu identifizieren. Diese Erkenntnisse sind auch von großem Wert für das Risikomanagement und ermöglichen eine präzisere Bewertung alternativer Anwendungen des Produkts. Durch das frühzeitige Erkennen von potenziellen Risiken können Maßnahmen zur Risikominimierung implementiert und die Sicherheit des Produkts für die Anwender und Patienten maximiert werden.

2.3.3 Identifikation und Schließung von Lücken in klinischen Daten

Ein weiterer kritischer Aspekt der klinischen Strategie ist die Identifikation möglicher Lücken in Bezug auf die erforderlichen klinischen Daten. Die frühzeitige Erkennung solcher Defizite ermöglicht es, gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um diese Lücken adäquat zu schließen. Dies kann durch zusätzliche eigene Datenerhebungen (z. B. Planung einer klinischen Prüfung, da ein klinischer Claim sich bisher nicht über klinische Daten belegen lässt), die Sammlung von Post-Market- oder PMCF-Daten oder die erneute Analyse bestehender Daten erfolgen.

3. Literatursuche für die klinische Strategie

Die Literatursuche als Kernpunkt der klinischen Strategie erleichtert auf der einen Seite die Einordnung des Produktes in sein Anwendungsgebiet. Sie führt außerdem zur Identifizierung von potenziellen Risiken und hilft bei der Entwicklung von Strategien zur Risikominderung. Sie unterstützt letztendlich die Formulierung einer langfristigen klinischen Strategie und Entwicklungsstrategie, die auf genau den damit erhobenen Daten basiert.

Der Prozess der Literatursuche erfolgt in mehreren Schritten:

Abb. 1: Prozess der Literatursuche

Definieren der Suchstrategie: Der erste Schritt ist die sorgfältige Planung der Suchstrategie. Dabei werden relevante Schlüsselwörter und Suchbegriffe festgelegt, die den Rahmen der Recherche bilden.

Auswahl der richtigen Datenbanken: Aufgrund der Fülle an Informationen ist die Wahl der richtigen Datenbanken entscheidend. Jede Datenbank hat ihre eigenen Stärken und Spezialisierungen, die berücksichtigt werden müssen.

Durchführung der Suche: Unter Anwendung der definierten Schlüsselwörter werden die Datenbanken systematisch durchforstet. Diese Phase erfordert Geduld und Sorgfalt, um sicherzustellen, dass keine relevanten Informationen übersehen werden.

Analyse und Auswahl der Daten: Nach der Sammlung der Informationen erfolgt die kritische Bewertung der Ergebnisse. Hierbei werden die relevantesten und fundiertesten Studien und Berichte ausgewählt, die zur Beantwortung der Fragestellung beitragen.

Die Analyse von "State of the Art" Daten, welche für die klinische Strategie benötigt werden, erfasst den aktuellen Stand der Technik.

Die Literaturrecherche umfasst vier Schritte:

Abb. 2: Literatursuche Schritt für Schritt

Abb. 2: Literatursuche Schritt für Schritt

4. Schlussfolgerung

Die Entwicklung und Umsetzung einer klinischen Strategie für Medizinprodukte ist ein entscheidender Schritt, der weit über die bloße Erfüllung regulatorischer Anforderungen hinausgeht. Sie bietet ein strukturiertes Vorgehen, um die Sicherheit, Wirksamkeit und Leistung eines Produkts systematisch zu bewerten und zu dokumentieren. Dieser Prozess trägt maßgeblich dazu bei, das Produkt optimal auf die Bedürfnisse der Anwender und Patienten abzustimmen und gleichzeitig den regulatorischen Rahmenbedingungen gerecht zu werden.

Durch die detaillierte Planung und Analyse, die eine klinische Strategie erfordert, können Entwickler und Hersteller von Medizinprodukten fundierte Entscheidungen treffen, die den gesamten Lebenszyklus des Produkts beeinflussen. Von der initialen Produktkonzeption über die Markteinführung bis hin zur Nachmarktbeobachtung ermöglicht die Strategie eine fortlaufende Bewertung und Anpassung des Produkts an sich ändernde klinische und regulatorische Anforderungen. Und das sowohl für neue Entwicklungen und Produktideen als auch für den MDR-Transfer eines Bestandsprodukts.

Die Wahl der Route für die klinische Bewertung, sei es durch eigene klinische Daten, Leistungsdaten oder Daten zu Äquivalenzprodukten, legt das Fundament für den Entwicklungsprozess und bestimmt maßgeblich den Zeit- und Kostenaufwand. Darüber hinaus ermöglichen die systematische Aufdeckung und Bewertung von Risiken und Nebenwirkungen sowie die Identifikation und Schließung von Lücken in den klinischen Daten eine kontinuierliche Verbesserung des Produkts und seiner (geplanten) Anwendung.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Erstellung und Umsetzung einer klinischen Strategie nicht nur eine regulatorische Notwendigkeit ist, sondern auch eine Chance darstellt, Medizinprodukte zu optimieren und deren Erfolg im Markt zu sichern. Sie fördert eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem Produkt und dessen Anwendungskontext, verbessert die Qualität und Sicherheit für die Endnutzer und Patienten und unterstützt eine effiziente Produktentwicklung. In einer Branche, die von Innovationen und stetigem Wandel geprägt ist, bildet die klinische Strategie somit einen zentralen Pfeiler für den langfristigen Erfolg von Medizinprodukten.

5. Wie wir Ihnen helfen können

Als CRO unterstützen wir Sie über den gesamten Prozess der Generierung und Bewertung klinischer Daten und bei der Zulassung und Marktüberwachung Ihres Produkts. Und dabei beginnen wir mit der klinischen Strategie!

Im Falle von klinischen Prüfungen überlegen wir gemeinsam mit Ihnen, ob überhaupt und wenn ja welche klinische Prüfung unter welchen Voraussetzungen und gemäß welchen Anforderungen durchgeführt werden muss. Das klären wir im Rahmen der Pre-Study Phase: In 3 Schritten ermitteln wir die richtige und kosteneffiziente Strategie in Bezug auf die in Ihrem Fall erforderliche klinische Datenerhebung.

Wenn eine klinische Prüfung durchgeführt werden soll, müssen zuvor grundlegende Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllt sein. Die Daten aus der klinischen Prüfung münden dann in die klinische Bewertung, die wiederum die Basis für Post-Market-Clinical-Follow-up (PMCF)-Aktivitäten (ggf. einschließlich einer PMCF-Studie) darstellt.

Außerdem benötigen alle Hersteller von Medizinprodukten ein Qualitätsmanagement system (QMS), auch bei der Entwicklung von Produkten der Klasse I.

Wir unterstützen Sie während Ihres kompletten Vorhabens mit Ihrem Medizinprodukt, beginnend bei einer kostenlosen Erstberatung, Hilfe bei der Einführung eines QM Systems, Studienplanung und Durchführung bis hin zur Technischen Dokumentation - immer mit primärem Bezug auf die klinischen Daten zum Produkt: von Anfang an bis zum Ende.

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Von Daten zu Erkenntnissen: Trendberichte und die Anforderungen der MDR

Bei medXteam stehen klinische Daten im Mittelpunkt. In diesem Kontext führen wir als CRO nicht nur klinische Prüfungen mit Medizinprodukten gemäß MDR und ISO 14155 durch, sondern bieten auch sämtliche weiteren Möglichkeiten und Formen der Datenerhebung an. Hier kommt nun auch das Thema Trends gemäß Artikel 88 der MDR ins Spiel: Auch hierfür sind Daten zu erheben und auszuwerten. Genau darum geht es in diesem Blogbeitrag. 

Abkürzungen

MDR               Medical Device Regulation; EU-Verordnung 2017/745
PMS                Post-Market-Surveillance

Zugrundeliegende Regularien

EU-Verordnung 2017/745 (MDR)

1. Einleitung

In der Welt der Medizinprodukte steht die Sicherheit und Wirksamkeit an erster Stelle, sodass es von entscheidender Bedeutung ist, Trends frühzeitig zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren.

Ein Trendbericht gemäß Artikel 88 der Medical Device Regulation (MDR) kann erforderlich sein, wenn statistisch signifikante negative Trends in den erhobenen Daten festgestellt werden. Sofern das in Artikel 88 der MDR definierte Kriterium erfüllt ist, sind Hersteller von Medizinprodukten verpflichtet, regelmäßig Trendberichte zu erstellen und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um potenzielle Risiken zu minimieren und die Sicherheit ihrer Produkte zu gewährleisten.

2. Trendberichte

2.1 Was ist ein Trendbericht?

Ein Trendbericht kann ein Bestandteil des Post-Market-Surveillance (PMS)-Berichts sein. Der PMS-Plan und der PMS-Bericht basieren auf den Artikeln 84 und 85 der MDR.
Der Trendbericht ist ein Instrument zur frühzeitigen Identifizierung von Trends und Entwicklungen im Zusammenhang mit der Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Medizinprodukten. Dieser Bericht dient dazu, potenzielle Risiken oder Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit einem Medizinprodukt zu erkennen und zu bewerten. Gemäß Artikel 88 der MDR wird ein Trendbericht erforderlich, wenn ein statistisch signifikanter Anstieg der Häufigkeit oder des Schweregrads nicht schwerwiegender Zwischenfälle oder erwarteter Nebenwirkungen festgestellt wird, die einen Einfluss auf die Nutzen-Risiko-Analyse haben könnten und zu Risiken für die Gesundheit oder Sicherheit von Patienten, Anwendern oder anderen Personen führen oder führen könnten, die im Hinblick auf den beabsichtigten Nutzen nicht akzeptabel sind.

2.2 Bedeutung von Trendberichten

Trendberichte sind aus mehreren Gründen für die Hersteller von Medizinprodukten von entscheidender Bedeutung:

  • Frühzeitige Identifizierung von Risiken: Durch die regelmäßige Analyse von Trends können potenzielle Risiken oder Sicherheitsbedenken frühzeitig erkannt und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten.
  • Informierte Entscheidungsfindung: Hersteller können auf Grundlage von Trendberichten fundierte Entscheidungen treffen, sowohl in Bezug auf die Produktentwicklung als auch auf die laufende Überwachung bereits auf dem Markt befindlicher Produkte.
  • Einhaltung gesetzlicher Anforderungen: Artikel 88 der MDR macht die Erstellung von Trendberichten zur gesetzlichen Anforderung. Die Einhaltung dieser Bestimmung ist daher für Hersteller unerlässlich, um die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen und die Marktzulassung für ihre Produkte aufrechtzuerhalten.

3. Umsetzung von Trendberichten gemäß Artikel 88 der MDR

Die Umsetzung von Trendberichten gemäß Artikel 88 der MDR erfordert eine strukturierte und systematische Vorgehensweise.

3.1 Datenanalyse

Im Rahmen der Datenanalyse werden die erhobenen Daten hinsichtlich ihrer Entwicklung im zeitlichen Verlauf unter Anwendung eines geeigneten statistischen Verfahrens ausgewertet. Dabei werden u.a. die folgenden Punkte berücksichtigt:

3.2 Datensammlung und -Analyse

Hersteller müssen kontinuierlich Daten sammeln und analysieren, die relevante Trends und Entwicklungen in Bezug auf ihre Produkte widerspiegeln. Dies kann die Auswertung von klinischen Studien, Rückmeldungen von Anwendern, Post-Market-Surveillance-Daten und regulatorischen Updates umfassen.

    • Die erhobenen Daten werden ausgewertet und zunächst auf einen statistisch signifikanten Anstieg hinsichtlich der Häufigkeit oder des Schweregrads überprüft, um zu evaluieren, ob eine weitere Analyse des Trends sowie ein resultierender Trendbericht erforderlich sind.
    • Von statistischer Signifikanz spricht man, wenn ein beobachteter Effekt oder Unterschied in Daten mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf Zufall zurückzuführen ist, sondern auf einen tatsächlichen Zusammenhang oder Unterschied zwischen den untersuchten Variablen hinweist. Dies wird typischerweise durch einen p-Wert ausgedrückt, wobei ein p-Wert, der kleiner als das festgelegte Signifikanzniveau ist, darauf hinweist, dass die beobachteten Ergebnisse statistisch signifikant sind.
    • Bei einem beobachteten Trend in den Daten kann aber muss es sich nicht um einen kausalen Zusammenhang zur Anwendung des evaluierten Produkts handeln. Das Vorliegen eines kausalen Zusammenhangs wird im weiteren Verlauf der Evaluierung eines signifikanten Trends überprüft.
    • Es wird ein Trend ermittelt, indem die Daten der einzelnen Erhebungszeitpunkte ausgewertet und somit die Entwicklung im zeitlichen Verlauf näher analysiert wird.
    • Dazu können verschiedene statistische Verfahren Anwendung finden, um die erhobenen Daten im zeitlichen Verlauf auszuwerten und hinreichend auf statistische Signifikanz zu überprüfen.
      Welches statistische Verfahren sich im konkreten Fall eignet, ist von mehreren Faktoren abhängig. Dazu gehören u.a. die Art der erhobenen Daten, die Größe und Struktur der Stichprobe sowie die zugrunde liegenden Annahmen über die Verteilung der Daten.
    • Im Rahmen der Datenanalyse erfolgt auch die grafische Darstellung von Trends mithilfe von Diagrammen oder Grafiken als ein effektives Mittel, um komplexe statistische Ergebnisse verständlicher und anschaulicher dazustellen.

3.3 Dokumentation

Die Ergebnisse der Datenanalyse müssen in Form von Trendberichten als Teil der Post-Market-Surveillance-Berichte oder separat dokumentiert werden. Diese Ergebnisberichte sollten klar strukturiert sein und relevante Informationen zu identifizierten Trends, deren Ursachenanalyse und potenziellen Auswirkungen sowie den vorgeschlagenen Maßnahmen zur Risikominderung enthalten:

  • Beschreibung des Trends:
    Eine klare Beschreibung des identifizierten Trends einschließlich seiner potenziellen Auswirkungen auf die Sicherheit und Leistung des Medizinprodukts.
  • Ursachenanalyse:
    Eine Analyse der Ursachen oder Faktoren, die zur Entwicklung des Trends beitragen könnten, einschließlich möglicher technischer, klinischer oder regulatorischer Aspekte.
  • Bewertung der Auswirkungen:
    Eine Bewertung der möglichen Auswirkungen des Trends auf die Sicherheit und Leistung des Medizinprodukts sowie auf die Benutzer und Patienten.
  • Vorgeschlagene Maßnahmen:
    Vorschläge für geeignete Maßnahmen, um potenzielle Risiken zu minimieren oder zu beseitigen, einschließlich Aktualisierungen des Risikomanagementplans, Änderungen des Produktdesigns oder der Gebrauchsanweisung sowie Schulungen für Benutzer.
  • Maßnahmenplan:
    Ein Plan zur Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen einschließlich Zeitrahmen und Verantwortlichkeiten.

4. Überprüfung und Aktualisierung

Trendberichte müssen regelmäßig überprüft und bei Bedarf aktualisiert werden, um sicherzustellen, dass sie aktuelle Trends und Entwicklungen widerspiegeln.

5. Anwendungsbeispiel

Um die Konzepte und Prozesse im Zusammenhang mit Trendberichten gemäß Artikel 88 der MDR zu veranschaulichen, betrachten wir fiktive Daten zu Verkaufszahlen und Reklamationen eines Herstellers von Medizinprodukten (Tab. 1).

Jahr

Anzahl der Verkäufe

Anzahl der Reklamationen

1

80

5

2

99

8

3

78

10

4

110

3

5

95

24

6

130

8

7

140

23

8

110

6

9

125

4

10

160

9

11

113

3

 

Tabelle 1: Anzahl der Verkäufe und Reklamationen im zeitlichen Verlauf

Die erhobenen Daten der Verkäufe und Reklamationen können nun auf einen Trend und eine signifikante Änderung mittels geeigneter statistischer Verfahren überprüft werden (Tab. 2).

 

Anzahl der Verkäufe

Reklamationen

Trend

+ 5,41

- 0,17

p-Wert

0,0126

0,8205

Tabelle 2: Ergebnisse der statistischen Auswertung der erhobenen Daten

Auf einem definierten Signifikanzniveau von 0,05 handelt es sich bei der Anzahl der Verkäufe im Zeitraum von Jahr 1 bis Jahr 11 mit einem p-Wert von 0,0126 um einen signifikant positiven Anstieg. Bei den Reklamationen mit einem p-Wert von 0,8205, der größer als das Signifikanzniveau von 0,05 ist, ist die Änderung nicht statistisch signifikant nachzuweisen.

Da es sich bei den Ergebnissen der Auswertungen nicht um negative, statistisch signifikante Trends handelt, sind eine Ursachenanalyse und das Erwägen weiterer Maßnahmen nicht erforderlich.

Sollte ein negativer, statistisch signifikanter Trend jedoch vorliegen, wird dieser Trend gründlich analysiert. Es werden die erhobenen Daten eingehend hinsichtlich eines kausalen Zusammenhangs zur Anwendung des Produkts, der Ursachen und der Auswirkungen des Trends ausgewertet. Dazu gehört auch eine gründliche Untersuchung der Reklamationen, ihrer Verteilung in den Reklamationskategorien und deren Einfluss auf den ermittelten Trend für die Ableitung von Maßnahmen und ggf. Anpassungen der Risikoanalyse. Die Ergebnisse dieser Auswertungen sowie einzuleitende geeignete Maßnahmen werden als Teil des Post-Market-Surveillance-Berichts oder separat dokumentiert.

6. Schlussfolgerung

Trendberichte gemäß Artikel 88 der MDR spielen eine entscheidende Rolle bei der Gewährleistung der Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Medizinprodukten. Durch die systematische Analyse von Trends können Hersteller potenzielle Risiken frühzeitig erkennen und angemessene Maßnahmen ergreifen, um die Sicherheit der Patienten, Anwender sowie Dritter zu gewährleisten. Die Einhaltung dieser gesetzlichen Anforderung ist daher unerlässlich für alle Hersteller, die Medizinprodukte auf dem europäischen Markt vertreiben möchten.

7. Wie wir Ihnen helfen können

Unsere Statistiker begleiten Sie von der Datenerhebung über die Analyse bis hin zur Dokumentation, dem Trendbericht! Seien Sie auf der sicheren Seite!

Klinische Prüfungen:

Ob überhaupt und wenn ja welche klinische Prüfung unter welchen Voraussetzungen und gemäß welchen Anforderungen durchgeführt werden muss, klären wir bei medXteam im Rahmen der Pre-Study Phase: In 3 Schritten ermitteln wir die richtige und kosteneffiziente Strategie in Bezug auf die in Ihrem Fall erforderliche klinische Datenerhebung.

Wenn eine klinische Prüfung durchgeführt werden soll, müssen zuvor grundlegende Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllt sein. Die Daten aus der klinischen Prüfung münden dann in die klinische Bewertung, die wiederum die Basis für Post-Market-Clinical-Follow-up (PMCF)-Aktivitäten (einschließlich einer PMCF-Studie) darstellt.

Außerdem benötigen alle Hersteller von Medizinprodukten ein Qualitätsmanagement system (QMS), auch bei der Entwicklung von Produkten der Klasse I.

Wir unterstützen Sie  während Ihres kompletten Vorhabens mit Ihrem Medizinprodukt, beginnend bei einer kostenlosen Erstberatung, Hilfe bei der Einführung eines QM Systems, Studienplanung und Durchführung bis hin zur Technischen Dokumentation - immer mit primärem Bezug auf die klinischen Daten zum Produkt: von Anfang an bis zum Ende.

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Literatursuche bei Medizinprodukten

Bei medXteam stehen klinische Daten im Mittelpunkt. In diesem Kontext führen wir als CRO nicht nur klinische Prüfungen mit Medizinprodukten gemäß MDR und ISO 14155 durch, sondern bieten auch sämtliche weiteren Möglichkeiten und Formen der Datenerhebung an. Die Literatursuche spielt in diesem Kontext eine wichtige Rolle.  Denn sie ist nicht nur in Verbindung mit der klinischen Bewertung bei Medizinprodukten unerlässlich. Wann, wo und warum man die Literatursuche auch in anderen Situationen benötigt, zeigt dieser Blogbeitrag.

Abkürzungen

MDR            Medical Device Regulation; EU-Verordnung 2017/745

DiGA           Digitale Gesundheitsanwendung

PMCF           Post-Market Clinical Follow-up, klinische Nachbeobachtung

QMS            Qualitätsmanagementsystem

Zugrundeliegende Regularien

EU-Verordnung 2017/745 (MDR)
Medizinprodukte-Durchführungsgesetz (MPDG)
ISO 14155

1. Einleitung

Die Literatursuche ist im regulatorischen Umfeld von Medizinprodukten  ein elementarer Prozess, der in verschiedenen Phasen des Lebenszyklus erfolgt. Sie ist nicht nur bei der klinischen Bewertung relevant, sondern auch im Kontext

  • der klinischen Strategie,
  • der Entwicklungsstrategie,
  • des Risikomanagements
  • in Verbindung mit klinischen Prüfungen, PMCF-Studien
  • bei DiGAs hinsichtlich der systematischen Datenerhebung

Dieser Beitrag beantwortet deshalb zunächst die Frage: Wann führe ich bei Medizinprodukten eine Literatursuche durch? Dabei wird auf die verschiedenen Kontextsituationen und die Gestaltung der Suche in der jeweiligen Situation eingegangen.

Darüber hinaus zeigen wir auch, wie man eine effektive Literatursuche durchführt und bieten praktische Beispiele zur Gestaltung der Suchstrategie in den verschiedenen Situationen.

2. Literatursuche und Klinische Daten

Wenn es um das Thema „Literatursuche“ geht, spielen natürlich klinische Daten eine wesentliche Rolle. Klinische Daten sind das Herzstück der medizinischen Forschung und bezeichnen die Erhebung von Informationen über das Produkt bei der Anwendung am Menschen. Sie umfassen eine breite Palette an Informationen, die aus klinischen Studien, Patientenbeobachtungen, Forschungsergebnissen und anderen medizinischen Quellen gewonnen werden. Diese Daten sind für die Bewertung der Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität von Medizinprodukten unverzichtbar. Sie bilden die Grundlage für regulatorische Entscheidungen und tragen maßgeblich zur Entwicklung innovativer medizinischer Lösungen bei.

Klinische Daten werden in Verbindung mit Medizinprodukten in der MDR in Art. 2 folgendermaßen definiert:

„Klinische Daten“ bezeichnet Angaben zur Sicherheit oder Leistung, die im Rahmen der Anwendung eines Produkts gewonnen werden und die aus den folgenden Quellen stammen:

  • klinische Prüfung(en) des betreffenden Produkts,
  • klinische Prüfung(en) oder sonstige in der wissenschaftlichen Fachliteratur wiedergegebene Studien über ein Produkt, dessen Gleichartigkeit mit dem betreffenden Produkt nachgewiesen werden kann,
  • in nach dem Peer-Review-Verfahren überprüfter wissenschaftlicher Fachliteratur veröffentlichte Berichte über sonstige klinische Erfahrungen entweder mit dem betreffenden Produkt oder einem Produkt, dessen Gleichartigkeit mit dem betreffenden Produkt nachgewiesen werden kann,
  • klinisch relevante Angaben aus der Überwachung nach dem Inverkehrbringen, insbesondere aus der klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen.“

Die Literatursuche ist demnach der Prozess, klinische Daten zu finden. Das führt uns in die Welt der medizinischen Datenbanken. Zu den wichtigsten Quellen zählen PubMed, die Cochrane Library und EMBASE. Diese Datenbanken bieten Zugriff auf eine Vielzahl von Publikationen, Fachzeitschriften, Konferenzberichten und systematischen Reviews, Meta-Analysen, Leitlinien und vieles mehr.

Der Prozess der Literatursuche erfolgt in mehreren Schritten und ist in jeder regulatorischen Situation gleich:

Abb. 1: Prozess der Literatursuche

Definieren der Suchstrategie: Der erste Schritt ist die sorgfältige Planung der Suchstrategie. Dabei werden relevante Schlüsselwörter und Suchbegriffe festgelegt, die den Rahmen der Recherche bilden.

Auswahl der richtigen Datenbanken: Aufgrund der Fülle an Informationen ist die Wahl der richtigen Datenbanken entscheidend. Jede Datenbank hat ihre eigenen Stärken und Spezialisierungen, die berücksichtigt werden müssen.

Durchführung der Suche: Unter Anwendung der definierten Schlüsselwörter werden die Datenbanken systematisch durchforstet. Diese Phase erfordert Geduld und Sorgfalt, um sicherzustellen, dass keine relevanten Informationen übersehen werden.

Analyse und Auswahl der Daten: Nach der Sammlung der Informationen erfolgt die kritische Bewertung der Ergebnisse. Hierbei werden die relevantesten und fundiertesten Studien und Berichte ausgewählt, die zur Beantwortung der Fragestellung beitragen.

Eine mögliche Technik, die in diesem Prozess Anwendung finden kann, ist z. B. die PICO-Technik: Sie hilft, die Suchanfragen zu präzisieren und effektiver zu gestalten. PICO steht für Population, Intervention, Comparison und Outcome. Diese Methode ermöglicht es, die Recherche auf die wichtigsten Aspekte zu fokussieren und liefert dadurch präzisere und relevantere Ergebnisse.

Diese Technik wird insbesondere im Rahmen der

  • Patientenversorgung
  • Behandlung

und zur Feststellung

  • der Genauigkeit diagnostischer Tests
  • prognostischer Faktoren

eingesetzt.

3. Literatursuche in der Praxis

Die Literatursuche ermöglicht das Treffen fundierter Entscheidungen, in diesem Rahmen spricht man auch von "evidenzbasierten" Entscheidungen Sie ist deshalb ein unverzichtbarer Teil bei der Entwicklung und Bewertung von Medizinprodukten, da sie

  • eine strukturierte Basis für Entscheidungsfindungen bietet und
  • die Qualität, klinische Leistung und Sicherheit von Medizinprodukten sicherstellt.

Im Produktlebenszyklus eines Medizinproduktes gibt es verschiedene Situationen, in denen eine Literatursuche notwendig wird. Jede hat spezifische Ziele und Foki haben:

  • Kontext Klinische Bewertung: Plan, Bericht
  • Kontext Klinische Strategie, Entwicklungsstrategie, Risikomanagement
  • Kontext Klinische Prüfung, PMCF-Studie, Systematische Datenerhebung

Diese werden im Folgenden im Detail beleuchtet.

3.1 Die Literatursuche im Kontext der klinischen Bewertung

Die klinische Bewertung von Medizinprodukten (Artikel 61 der EU-Verordnung 2017/745 (MDR))  ist ein Kernelement der technischen Dokumentation und bestätigt im Rahmen der Validierung der klinischen Daten die Sicherheit des Medizinprodukts , seine klinische Leistung sowie sein Nutzen-Risiko-Verhältnis. Die Literatursuche ist ein integraler Bestandteil, um diese Informationen zu liefern. Der Prozess der "Bewertung" der klinischen Daten ist eine festgelegte Abfolge von Handlungen um die diversen Quellen, einschließlich klinischer Prüfungen zu analysieren, nicht nur inhaltlich sondern auch methodisch. Bewertungskriterien umfassen die Relevanz der Publikation, die Qualität und wissenschaftliche Gültigkeit sowie die Gewichtung der Daten im Hinblick auf die klinische Bewertung.

Die Analyse von "State of the Art" Daten erfasst den aktuellen Stand der Technik. Demgegenüber werden die Daten des zu evaluierenden Produktes gestellt um  die behauptete klinische Leistung und Sicherheit des Produkts zu belegen.

Die Literaturrecherche umfasst vier Schritte:

 

Abb. 2: Literatursuche Schritt für Schritt

Abb. 2: Literatursuche Schritt für Schritt

Ziel der klinischen Bewertung ist es, eine fundierte Grundlage für die Marktzulassung zu schaffen und die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Medizinprodukts zu gewährleisten. Dies erfordert eine sorgfältige Dokumentation des gesamten Prozesses, einschließlich Literatursuchplan, -protokoll und -bericht, um Transparenz und Nachvollziehbarkeit für Audits und regulatorische Überprüfungen zu sichern.

3.2 Kontext klinische Strategie, Entwicklungsstrategie, Risikomanagement

Klinische Strategie:

In diesen Bereichen erleichtert die Literatursuche das Identifizieren von potenziellen Risiken und die Entwicklung von Strategien zur Risikominderung. Sie unterstützt auch die Formulierung einer langfristigen klinischen Strategie und Entwicklungsstrategie, die auf aktueller Forschung und bestehenden Daten basiert. Sie legt somit das Fundament für die Route der klinischen Bewertung und stellt die Weichen für die gesamte Planung des Entwicklungsprozesses im Hinblick auf Kosten und Zeit.

Risikomanagement:

Das Risikomanagement ist die systematische Anwendung von Managementstrategien zur Identifikation und Kontrolle von Produktrisiken. Es besteht eine enge Schnittstelle zwischen Risikomanagement und klinischer Bewertung, besonders beim Einbezug des aktuellen medizinischen und technologischen State of the Art.

Literatursuche im Kontext der Klinischen Strategie erfolgterfolgt hier ebenfalls in vier Schritten (s. Abbildung 2).

Ein Fokus liegt auf der Suche nach ähnlichen Produkten, um Äquivalenzen zu bewerten, Nebenwirkungen zu identifizieren und Marktdaten einzubeziehen. Auch das Anwendungsgebiet des Produkts wird untersucht, einschließlich Prävalenz und Inzidenz relevanter Zustände oder Krankheiten, alternativer Anwendungsformen und aktueller medizinischer Leitlinien.

3.3 Kontext klinische Prüfung, PMCF-Studie, systematische Datenerhebung

Klinische Prüfung:

Die klinische Prüfung wird in der Projektplanungsphase konzipiert und mit dem finalen Produkt im Rahmen der Produktvalidierung durchgeführt. Die gesammelten Daten fließen in den Clinical Evaluation Report (CER) ein und sind entscheidend für den Markteintritt des Produkts. Sie erfolgt gemäß den gesetzlichen Anforderungen wie MDR und ISO 14155.

Die Literatursuche im Kontext Klinischer Prüfung erfolgt  wieder in vier Schritten (s. Abbildung 2). Der Fokus liegt hier auf der Identifikation relevanter Endpunkte, auf Basis derer die Forschungsfrage beantwortet werden soll. Des weiteren sollen Ideen für ein potentielles Studiendesign gesammelt werden.

DiGA:

Für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) ist eine Literatursuche nach dem "minimally important difference/change" (MCID) für die systematische Datenerhebung und Auswertung der zum Produkt erhobenen Daten entscheidend, um die klinische Bedeutung der Daten zu bewerten und entsprechend einordnen zu können. Aber insbesondere für das Evaluationskonzept wird im DiGA-Leitfaden eine systematische Literaturrecherche gefordert: Sie soll Indizien für den positiven Versorgungseffekt liefern.

4. Digitale Literatursuche

Wie wichtig und zentral die Literatursuche in Zusammenhang mit Medizinprodukten und zwar über den gesamten Produktlebenszyklus ist, haben wir gesehen.

medXteam hat sich spezialisiert  auf die Erhebung und Auswertung klinischer Daten: So steht die Literatursuche bei uns im Mittelpunkt. Die Durchführung von objektiven Recherchen in Pubmed und Pubmed Central kann mit digitalen Softwarelösungen teilautomatisiert werden, um eine nachvollziehbare und reproduzierbare Recherchedokumentation zu gewährleisten sowie den Aufwand für die Dokumentation der Rechercheergebnisse zu reduzieren. Die eingesetzte Lösung (Polarion mit avaPubmed-Erweiterung) bietet eine direkte, validierte Schnittstelle zu Pubmed und Pubmed Central.

4.1 Digitalisierte Literatursuche über Polarion

Die Literatursuche ist der Kernprozess der klinischen Bewertung.

Bei der Literatursuche über Polarion wird eine direkte Verbindung zu den Datenbankquellen (z. B. direkt zu PubMed) hergestellt.

Die Literaturrecherche wird in Form der folgenden Dokumente durchgeführt und dokumentiert:

  • Literatursuch- und Reviewplan (engl. Literature Search and Review Plan)

Der Literatursuch – und Review-Plan beschreibt die objektive Suche und beschreibt die Identifizierung von Publikationen. Er umfasst:

  • Quellen der Publikationen
  • Suchbegriffe
  • definierte Filter
  • Beurteilungskriterien und Prozess für identifizierte Publikationen
  • Prozess zur Analyse der relevanten Publikationen
  • Durchführungsprotokoll der Literaturrecherche (engl. Literature Search Execution Protocol)

Das Durchführungsprotokoll liefert Details zu den durchgeführten Recherchen und einen Überblick über die Historie der Recherchen. Es umfasst:

  • verwendete Suchanfragen und Ergebnisse
  • Abweichungen vom Literatursuch- und Reviewplan
  • Übersicht über durchgeführte Recherchen und Suchergebnisse
  • Bericht zur Literaturrecherche (engl. Literature Review Report)

Der Bericht enthält eine Zusammenfassung der durchgeführten Suche, sowie die Auswertung und Analyse. Er umfasst:

  • Zusammenfassung der objektiven Suchdurchführung und -ergebnisse
  • durchgeführte Suche und Auswahlverfahren zur Identifizierung mit anderen Mitteln
  • Bewertung der identifizierten Publikationen
  • Analyse der relevanten Publikationen (siehe nachfolgender Abschnitt)

4.2 Dokumentation der Analyse

Der Volltext jeder potenziell relevanten Publikation wird gelesen und im Hinblick auf das Ziel (Scope) der Literaturrecherche und die relevanten klinischen Bewertungsthemen im jeweiligen klinischen Bewertungsplan analysiert. Die extrahierten Aussagen zu Sicherheit, Leistung, Nutzen, Anspruch oder Stand der Technik werden dokumentiert.

Die Analyse einer einzelnen "Publikation" wird in Form einer einzelnen "Publikationsbewertung" (engl. „Publication Evaluation“ siehe Schaubild unten) dokumentiert: Die "Publikation" ist mit der "Publikationsbewertung" verknüpft und die Bewertung ist mit dem jeweiligen "Klinischen Bewertungsgegenstand" im Klinischen Bewertungsplan verknüpft. Die folgende Grafik erläutert den Zusammenhang zwischen den einzelnen Workitem-Typen:

Abb. 3: Analyse

Abb. 3: Analyse

4.3 Bericht zur Literaturrecherche

Im Bericht zur Literaturrecherche wird eine Übersicht und Zusammenfassung der Analyse gegeben:

Es wird für jedes Klinische Bewertungsthema aufgeführt, welche Publikation mit Relevanz für dieses Thema identifiziert wurde und welche spezifischen Aussagen in der Publikationsbewertung extrahiert wurden.

Basierend auf diesen Ergebnissen wird analysiert, ob die relevanten Datensätze in ihrer Gesamtheit Evidenz für das jeweilige Clinical Evaluation Subject (den jeweiligen Claim, siehe Abbildung oben) zeigen. Das Ziel ist es, nach Konsistenz der Ergebnisse über bestimmte Klinische Bewertungsthemen hinweg zu suchen. Wenn unterschiedliche Ergebnisse über die Datensätze hinweg beobachtet werden, ist es hilfreich, den Grund für diese Unterschiede zu ermitteln.

Die folgende Grafik visualisiert den Zusammenhang der Dokumente und der enthaltenen digitalen Inhalte in Form von Workitems:

Abb. 4

Abb. 4 Schnittstellen und Work Items

4.4 Digitalisierte klinische Bewertung

Die Digitalisierung greift natürlich insbesondere hier:

Kern der klinischen Bewertung ist die Literatursuche, die digitalisiert durchgeführt werden kann (s. o.). Eingebettet in Polarion als Subsystem kann auch sie selbst  digitalisiert werden. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über den Inhalt der Dokumente zur klinischen Bewertung

  • CEP,
  • CER,
  • Dokumente zur Literatursuche – Plan, Protokoll, Bericht

eingebettet als Subsystem in das Gesamtsystem Technische Dokumentation:

4.5 Vorteile der Digitalisierung

Die Digitalisierung der Technischen Dokumentation für Medizinprodukte und damit der klinischen Bewertung und der Literatursuche ist die Zukunft!

Die Vorteile der Digitalisierung liegen auf der Hand:

  • effizienteres Arbeiten
  • zielorientiertes Einsetzen der Kapazitäten
  • Beseitigung von Ineffizienzen bei Erstellung, Pflege und Änderung von Inhalten der Technischen Dokumentation, klinischen Bewertung und Literatursuchen
  • langfristige Verringerung des Pflegeaufwands

Über Polarion lassen sich Schnittstellen wie Zweckbestimmung, Risikomanagement, Gebrauchstauglichkeit, klinische Bewertung, klinische Prüfung Projekten zuordnen und bei Bedarf wiederverwenden. Die Erstellung und Pflege von Dokumenten wird somit deutlich vereinfacht und beschleunigt. Daneben werden Redundanzen und Inkonsistenzen vermieden.

5. Schlussfolgerung

Gemäß MDR Art. 2 umfassen klinische Daten Informationen über Sicherheit und Leistung, die aus klinischen Prüfungen, Fachliteratur, Berichten über klinische Erfahrungen und der Überwachung nach dem Inverkehrbringen stammen. Diese Datenquellen sind entscheidend für eine effektive Literatursuche. Die Suche in der Fachliteratur, wo wir klinische Daten finden, und die Bedeutung dieser Daten für verschiedene Aspekte der Medizinproduktentwicklung, illustrieren, wie grundlegend die Literatursuche für den gesamten Entwicklungsprozess ist.

Die Literatursuche bei Medizinprodukten ist mehr als nur ein Schritt im Entwicklungsprozess; sie ist ein kontinuierlicher Prozess, der die Qualität und Sicherheit von Medizinprodukten entscheidend beeinflusst. Sie ermöglicht es Herstellern, Forschern und klinischen Experten, fundierte Entscheidungen zu treffen, die auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. In einer Branche, die sich ständig weiterentwickelt, bleibt die Literatursuche ein wesentlicher Bestandteil, um innovative und sichere Medizinprodukte zu gewährleisten.

Eine Literatursuche ist für alle Medizinprodukte über den gesamten Produktlebenszyklus essentiell, nämlich: Um klinische Daten zu gewinnen!

6. Wie wir Ihnen helfen können

Aufgrund der hohen Nachfrage haben wir eine spezielle Online-Schulung produziert:

Diese Schulung ist darauf ausgelegt, Fachkräften im Bereich der Medizinprodukte eine umfassende Anleitung zur effektiven Literatursuche in verschiedenen Konstellationen mit dem Schwerpunkt auf der klinischen Bewertung zu bieten. Die Schulung ist in vier Lektionen gegliedert, die sowohl theoretische Grundlagen als auch praktische Anwendungsbeispiele umfassen.

Lektion 1: Literatursuche und klinische Daten

Lektion 2: Literatursuche in der Praxis

Lektion 3: Einstieg in die Praxis: Erstes Praxisbeispiel

Lektion 4: Weitere Praxisbeispiele

Klinische Prüfungen:

Ob überhaupt und wenn ja welche klinische Prüfung unter welchen Voraussetzungen und gemäß welchen Anforderungen durchgeführt werden muss, klären wir bei medXteam im Rahmen der Pre-Study Phase: In 3 Schritten ermitteln wir die richtige und kosteneffiziente Strategie in Bezug auf die in Ihrem Fall erforderliche klinische Datenerhebung.

Wenn eine klinische Prüfung durchgeführt werden soll, müssen zuvor grundlegende Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllt sein. Die Daten aus der klinischen Prüfung münden dann in die klinische Bewertung, die wiederum die Basis für Post-Market-Clinical-Follow-up (PMCF)-Aktivitäten (einschließlich einer PMCF-Studie) darstellt.

Außerdem benötigen alle Hersteller von Medizinprodukten ein Qualitätsmanagement system (QMS), auch bei der Entwicklung von Produkten der Klasse I.

Wir unterstützen Sie  während Ihres kompletten Vorhabens mit Ihrem Medizinprodukt, beginnend bei einer kostenlosen Erstberatung, Hilfe bei der Einführung eines QM Systems, Studienplanung und Durchführung bis hin zur Technischen Dokumentation - immer mit primärem Bezug auf die klinischen Daten zum Produkt: von Anfang an bis zum Ende.

Haben Sie jetzt schon erste Fragen?

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The undetected trap? Die Black Box der neuen DiGA-Anforderungen

Bei medXteam stehen klinische Daten im Mittelpunkt. In diesem Kontext führen wir als CRO nicht nur klinische Prüfungen mit Medizinprodukten gemäß MDR und ISO 14155 durch, sondern bieten auch sämtliche weiteren Möglichkeiten und Formen der Datenerhebung an. Dieses Mal geht es in diesem Kontext erneut um das Thema der DiGA. Auch hier werden Daten erhoben. Doch dieses Mal steht die Frage im Mittelpunkt: Welche potenziellen Herausforderungen verbergen sich hinter den DiGA-Anforderungen für die Hersteller?

Abkürzungen

BSI             Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik

DiGA           Digitale Gesundheitsanwendung

ePA             Elektronische Patientenakte

KBV             Kassenärztliche Bundesvereinigung

MDR            Medical Device Regulation; EU-Verordnung 2017/745

QMS            Qualitätsmanagementsystem

Zugrundeliegende Regularien

EU-Verordnung 2017/745 (MDR)
Medizinprodukte-Durchführungsgesetz (MPDG)
ISO 14155
ISO 27001
DiGA Leitfaden V3.4
Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG)
EU-Verordnung 2016/679 (DSGVO)
Technische Richtlinie TR-03161

1. Einleitung

Als digitale Anwendungen im Gesundheitswesen haben DiGAs (Digital Health Applications) in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Sie können dazu beitragen, die medizinische Versorgung zu verbessern und den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen zu erleichtern. Sie bieten Patienten die Möglichkeit, ihre Gesundheit zu überwachen und Krankheiten zu managen, während Ärzte wertvolle Daten erhalten, um bessere Entscheidungen zu treffen.

Jedoch birgt der regulatorische Kontext der DiGAs neben den Chancen für Patienten und medizinisches Personal auf der anderen Seite auch Herausforderungen für die Hersteller dieser Produkte. So wurden bereits zahlreiche Anforderungen definiert, welche zu bestimmten Fristen von Herstellen umgesetzt und mit entsprechendem Nachweis belegt werden müssen. Durch diese Anforderungen, welche wir in diesem Beitrag näher beleuchten werden, werden Hersteller unter anderem vor die Kernfrage der Klassifizierung ihres medizinischen Software-Produkts gestellt. Während zum aktuellen Stand die meisten DiGAs als Klasse-I-Produkt eingestuft werden, resultiert womöglich eine Höherklassifizierung aus der Implementierung der neuen Anforderungen. Dabei handelt es sich nicht nur um eine grundsätzlich regulatorische Thematik, auch die Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems (QMS), die resultierende Kosten- und auch Zeitfrage sowie die Argumentation gegenüber Investoren bilden wichtige Säulen dieser Betrachtung.

Berücksichtigt man die Debatte unseres letzten Blog-Beitrags, weshalb Ärzte bei der Verschreibung von DiGAs primär zurückhaltend agieren, so kommt die Frage auf, in welcher Relation die immensen Herausforderungen zu dem potenziellen Nutzen der digitalen Anwendungen in Zukunft stehen werden.

2. Regulatorische Anforderungen an DiGA-Hersteller

Bereits zum aktuellen Stand gilt es als DiGA-Hersteller, einige Anforderungen im Rahmen der Produktentwicklung sowie der unternehmensinternen Prozesse bereits umzusetzen. Das folgende Kapitel beleuchtet sowohl die aktuell geltenden als auch zukünftig umzusetzenden Anforderungen, welche maßgeblich auf dem DiGA-Leitfaden beruhen.

2.1 Geltende Anforderungen

Alle Hersteller benötigen bereits aktuell ein Informationssicherheits-Managementsystem. Es ist sowohl die Etablierung/Implementierung als auch die Zertifizierung als Nachweis gefordert. Es gibt zwei Optionen: gemäß ISO 27001 oder „ISO 27001 auf der Basis von IT-Grundschutz (BSI-Standard 200-2: IT-Grundschutz-Methodik)“.

Aus dem Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) geht zudem hervor, dass unabhängig vom Schutzbedarf der DiGA ein Penetrationstest für alle Komponenten durchgeführt werden muss. Penetrationstests zählen zu den „Basisanforderungen, die für alle digitalen Gesundheitsanwendungen gelten“ der Anlage 1. Als Basis für die Testkonzeption sind das Durchführungskonzept für Penetrationstests des BSI sowie die jeweils aktuellen OWASP Top-10 Sicherheitsrisiken heranzuziehen. Dem BfArM muss auf Verlangen ein Nachweis über die Durchführung der entsprechenden Tests vorgelegt werden.

2.2 Was kommt nun wann neu dazu?

Die sichere Authentisierung von Versicherten über die digitale Identität muss bis spätestens zum 01.01.2024 implementiert werden. Ursprünglich sollte diese Anforderung bis zum 01.01.2023 implementiert worden sein. Jedoch haben die Krankenkassen bis zum 01.01.2024 die Frist zur Erstellung der digitalen Identität:

"Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477)
§ 291 Elektronische Gesundheitskarte:
 (8) Spätestens ab dem 1. Januar 2024 stellen die Krankenkassen den Versicherten ergänzend zur elektronischen Gesundheitskarte auf Verlangen eine sichere digitale Identität für das Gesundheitswesen barrierefrei zur Verfügung, die die Vorgaben nach Absatz 2 Nummer 1 und 2 erfüllt und die Bereitstellung von Daten nach § 291a Absatz 2 und 3 durch die Krankenkassen ermöglicht."

Ab dem 01.01.2024 muss ein regelmäßiger, automatisierter Export der durch die DiGA erhobenen Daten in die elektronische Patientenakte (ePA) gewährleistet sein. Die kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) legt die entsprechenden Anforderungen an die semantische und syntaktische Interoperabilität fest.

Ein Nachweis in Form eines Zertifikates nach Artikel 42 DSGVO (Verordnung (EU) 2016/679) über die Erfüllung der Anforderungen an den Datenschutz muss ab dem 01.08.2024 vorhanden sein.

"Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477)
§ 139e Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen; Verordnungsermächtigung:
(11) Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte legt im Einvernehmen mit der oder dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit und im Benehmen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik erstmals bis zum 31. März 2022 und dann in der Regel jährlich die Prüfkriterien für die von digitalen Gesundheitsanwendungen nachzuweisenden Anforderungen an den Datenschutz nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 fest. Der Nachweis der Erfüllung der Anforderungen an den Datenschutz durch den Hersteller ist ab dem 1. August 2024 durch Vorlage eines anhand der Prüfkriterien nach Satz 1 ausgestellten Zertifikates nach Artikel 42 der Verordnung (EU) 2016/679 zu führen."

Die technische Richtlinie TR-03161 umfasst die vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) definierten Anforderungen an Anwendungen im Gesundheitswesen und ist Bestandteil der Anforderungen an die Datensicherheit einer DiGA nach § 139e Absatz 10 SGB V. Ab dem 01.01.2025 ist ein entsprechendes Zertifikat vorzulegen.

"Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477)
§ 139e Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen; Verordnungsermächtigung:
(10) Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik legt im Einvernehmen mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und im Benehmen mit der oder dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit erstmals bis zum 1. Januar 2024 und dann in der Regel jährlich die von digitalen Gesundheitsanwendungen nachzuweisenden Anforderungen an die Datensicherheit nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 fest. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik bietet ab dem 1. Juni 2024 Verfahren zur Prüfung der Einhaltung der Anforderungen nach Satz 1 sowie Verfahren zur Bestätigung der Einhaltung der Anforderungen nach Satz 1 durch entsprechende Zertifikate an. Der Nachweis der Erfüllung der Anforderungen an die Datensicherheit durch den Hersteller ist spätestens ab dem 1. Januar 2025 unter Vorlage eines Zertifikates nach Satz 2 zu führen."

3. Weitere Anforderungen

Grundsätzlich gelten auch für digitale Gesundheitsanwendungen sämtliche regulatorische Anforderungen, welche allgemein für alle Medizinprodukte Anwendung finden. So muss auch für eine digitale Gesundheitsanwendung eine technische Dokumentation erstellt werden, welche zum Nachweis der Erfüllung der grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen der MDR herangezogen wird. Jeder Hersteller eines Medizinproduktes benötigt basierend auf den geltenden Regularien ein QMS, welches auf der ISO 13485 basiert. Dies gilt seit Inkrafttreten der MDR ebenfalls für Hersteller eines Klasse-I-Produkts.

Doch das Spektrum der Anforderungen im digitalen Umfeld wächst weiter. So steht nun beispielsweise ergänzend der Aspekt im Raum, ob eine Form des 14-tägigen Rückgaberechts für die Patienten nach initialer Verschreibung der DiGA eingeführt werden soll.

4. Konsequenzen dieser neuen Anforderungen

Welche Konsequenzen bringen diese zusätzlichen Anforderungen möglicherweise mit sich? Hierzu sei gesagt, dass die Fristen zum jetzigen Stand noch in der Zukunft liegen, weshalb der tatsächliche Umgang mit möglichen Konsequenzen für die Hersteller noch einem hypothetischen Raum gleicht. Realistische Erfahrungswerte werden erst in den kommenden Monaten zu sammeln sein. Dennoch erscheint vor allem ein Aspekt bei Betrachtung der Anforderungen besonders heikel: die Klassifizierung. Die Klassifizierung einer Software basiert grundsätzlich erstmal auf den Klassifizierungsregeln aus Anhang VIII der MDR. Zusätzlich gibt es jedoch gültige Guidance-Dokumente, welche unterstützend herangezogen werden können. Die Regel 11 gibt vor, dass „Software, die dazu bestimmt ist, Informationen zu liefern, die zu Entscheidungen für diagnostische oder therapeutische Zwecke herangezogen werden, zur Klasse IIa [gehört]“.

Stellen Sie sich nun folgendes hypothetisches Szenario vor: Sie als Hersteller haben erfolgreich alle geforderten Exportfunktionalitäten sowie Interoperabilitätsanforderungen umgesetzt. Es ist nun sowohl möglich, einen regelmäßigen und automatisierten Export der mit Ihrer DiGA erhobenen Daten in die ePA des Individuums durchzuführen, als auch gewisse Informationen aus der DiGA als Patient zu exportieren. Ihr DiGA-Konzept beinhaltet unter anderem die Bereitstellung von Material zu Übungen, welche die Patienten zuhause durchführen sollen. Nehmen wir nun an, Frau Müller bekommt Ihre DiGA verschrieben und nutzt diese daraufhin fleißig. Die entsprechend erhobenen Daten werden der ePA von Frau Müller zugeführt, ihr behandelnder Arzt hat somit Zugriff auf diese Daten. Zusätzlich exportiert sich Frau Müller den von Ihnen als Hersteller generisch bereitgestellten Inhalt, welcher ebenfalls Daten zu der individuellen Anwendung von Frau Müller enthält. Beim nächsten Arztbesuch von Frau Müller kommt die Nutzung der DiGA zur Sprache (sowohl der Export von Frau Müller als auch die Daten in der ePA stehen zur Verfügung), woraufhin ihr behandelnder Arzt ihr nahelegt, in ihrem expliziten Erkrankungsfall die Übung Nr. 5 nicht mehr durchzuführen. Somit sind wir laut Regel 11 in der Theorie betrachtet in einem Szenario gelandet, in welchem die DiGA Informationen geliefert hat, die den Arzt dazu bewegt haben, Therapieempfehlungen gegenüber Frau Müller auszusprechen. Das Resultat des Szenarios: aus einem Klasse-I-Produkt wurde durch die Implementierung der Anforderungen ein Klasse-IIa-Produkt.

In den folgenden Kapiteln werden die möglichen Folgen einer solchen Klassifizierung detailliert betrachtet.

4.1 Zertifizierung

Wir haben bereits erläutert, dass seit Inkrafttreten der MDR jeder Hersteller eines Medizinprodukts über ein QMS verfügen muss. Jedoch gilt erst für Hersteller ab einem Klasse IIa Produkt, dass dieses QMS auch zertifiziert werden muss. Für Klasse-I-Hersteller reicht das Aufsetzen und Leben einer solchen Prozessstruktur aus. Sollte somit eine Höherklassifizierung aus den Anforderungen resultieren, muss Ihr QMS zertifiziert werden, damit Sie als Hersteller weiterhin die geltenden Regularien einhalten. Explizit vor dem Hintergrund der Fristen zur MDR-Transition stellt dieser Aspekt wohl mit den zeitkritischsten Faktor dar und Bedarf einer umgehender Auseinandersetzung mit möglichen Klassifizierungsfolgen für Ihr Produkt.

4.2 Kostenfrage/Investoren

Bereits die geltenden Anforderungen ziehen hohe Kosten für die Hersteller nach sich. So gilt es nicht nur ein erfolgreiches Audit der Implementierung des Informationssicherheits-Managementsystems (ISMS) zu absolvieren, auch der Weg der Datenerhebung bis zur erfolgreichen Listung der DiGA ist ein langer und kostenintensiver. Durch die weiteren umzusetzenden Anforderungen kommt nun ein zusätzlicher Kostenblock auf die Hersteller zu, welche wirtschaftlich betrachtet oftmals von der Bereitschaft ihrer Investoren abhängen.

4.3 Technische Dokumentation

Die technische Dokumentation liegt als Nachweis der Erfüllung der grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen der MDR jedem Medizinprodukt zugrunde. Wesentliche Bestandteile dieser technischen Dokumentation umfassen unter anderem das Risikomanagement sowie die Gebrauchstauglichkeitsakte mit den entsprechenden Tests zur Anwendung des Produkts. Im Falle einer Software bildet ebenfalls die Softwareakte einen großen Baustein der Dokumentation. Diese umfasst sowohl die Definition der Anforderungen als auch die tatsächliche Umsetzung in Form der Architektur sowie weitere relevante Prozessdokumentation zur Verifizierung und Validierung der erfolgreichen Entwicklung. Der Detailgrad dieser technischen Dokumentation insbesondere in Bezug auf die Softwareakte hängt unter anderem von der Klassifizierung des Softwareprodukts ab. Sollte somit eine Höherklassifizierung resultieren, gilt es ebenfalls, die technische Dokumentation entsprechend zu überarbeiten, was Kosten mit sich bringt und ggf. Ressourcen im Unternehmen zeitweise bindet. Außerdem muss diese dann ebenfalls von einer Benannten Stelle zertifiziert werden, der Hersteller kann nicht mehr die EU-Konformitätserklärung selbst ausstellen.

5. Relation zum letzten Blogbeitrag

In unserem letzten Blogbeitrag wurde die Zurückhaltung der Ärzte bezüglich der Verschreibung von DiGAs näher betrachtet. Denn trotz zahlreicher Vorteile von DiGAs sind viele Ärzte zögerlich, diese zu verschreiben. Ein Grund dafür ist, dass sie sich nicht sicher sind, ob DiGAs tatsächlich wirksam sind. Es gibt auch Bedenken hinsichtlich der Sicherheit von DiGAs sowie der Datensicherheit. Ein weiterer Faktor ist der Mangel an Zeit und Ressourcen, um Patienten in der Verwendung von DiGAs zu unterstützen. Darüber hinaus sind viele Ärzte besorgt über die zusätzliche Belastung durch die Verschreibung und Überwachung von DiGAs. Und nicht zuletzt die Sorge, ob die Kostenübernahme durch die Krankenkassen wirklich gesichert ist oder ob ein entsprechendes Rezept zu einem Regress führen kann.

Die zuvor beschriebenen Anforderungen an DiGAs beziehen sich weitestgehend auf die Sicherheit und vor allem die Datensicherheit der in Verkehr gebrachten Anwendungen, womit zumindest ein Aspekt der Verschreibungszurückhaltung adressiert würde. Jedoch resultiert aus der Implementierung der Anforderungen ebenfalls ein großes unternehmerisches Risiko für die Hersteller. Betrachtet man den zusätzlichen Kostenblock für die Umsetzung all dieser Aspekte und bezieht gleichermaßen den Tatbestand mit ein, dass die Verschreibung der erfolgreich gelisteten DiGA womöglich nur schleppend voranschreiten könnte, so rutscht der Break-even-Point immer weiter in die Ferne und die Wirtschaftlichkeit der Entwicklung solcher DiGAs muss stark hinterfragt werden.

6. Fazit/Schlussfolgerung

DiGAs haben das Potenzial, die medizinische Versorgung zu verbessern und den Zugang zu digitalen Gesundheitsanwendungen für Patienten zu erleichtern. Den enormen Chancen dieser Produkte stehen jedoch immense Herausforderungen vor allem für die Hersteller gegenüber.

Als maßgebliche Konsequenz der Implementierung der beleuchteten Anforderungen konnten wir die Frage nach der resultierenden Klassifizierung der DiGA identifizieren. Dies betrifft sowohl Hersteller, welche sich noch in der initialen Entwicklung ihres Produkts befinden, als auch solche, die bereits eine vorläufige oder endgültige Listung ihrer DiGA erreicht haben. Die möglicherweise resultierende Höherklassifizierung zieht weitreichende Folgen nach sich – dies betrifft sowohl die Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems und der technischen Dokumentation als auch sämtliche betriebswirtschaftliche Aspekte (z. B. Kosten, Zeit, Investoren). Somit sollten die Hersteller sich zunächst eben dieser Fragestellung nach der korrekten zukünftigen Klassifizierung ihres Medizinprodukts widmen, um weitere Schritte in die Wege leiten zu können.

Die eingangs gestellte Frage, in welcher Relation die immensen Herausforderungen zu dem potenziellen Nutzen der digitalen Anwendungen in Zukunft stehen werden, lässt sich nicht abschließend beantworten. Die Implementierung der Anforderungen gilt es erst zu den definierten Fristen umzusetzen, sodass die resultierenden Konsequenzen für die Hersteller erst in den kommenden Monaten deutlich werden. Die Betrachtung der Vielzahl an Anforderungen zeigt jedoch deutlich, dass die starke Regulierung dieser besonderen Art von medizinischem Software-Produkt dringend hinterfragt werden sollte. Schlussendlich gilt es, dem Patienten einen Mehrwert zu liefern und diesen im Alltag bei der Bewältigung seiner Erkrankungen zu unterstützen und zu begleiten.

7. Wie wir Ihnen helfen können

Gern unterstützen wir Sie im Hinblick auf eine erfolgreiche Listung Ihrer DiGA mittels einer frühzeitigen Evaluierung der Produktklassifizierung basierend auf Ihren geplanten Features.

Ob überhaupt und wenn ja welche klinische Prüfung unter welchen Voraussetzungen und gemäß welchen Anforderungen durchgeführt werden muss, klären wir bei medXteam im Rahmen der Pre-Study Phase: In 3 Schritten ermitteln wir die richtige und kosteneffiziente Strategie in Bezug auf die in Ihrem Fall erforderliche klinische Datenerhebung.

Wenn eine klinische Prüfung durchgeführt werden soll, müssen zuvor grundlegende Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllt sein. Die Daten aus der klinischen Prüfung münden dann in die klinische Bewertung, die wiederum die Basis für Post-Market-Clinical-Follow-up (PMCF)-Aktivitäten (einschließlich einer PMCF-Studie) darstellt.

Außerdem benötigen alle Hersteller von Medizinprodukten ein Qualitätsmanagementsystem (QMS), auch bei der Entwicklung von Produkten der Klasse I.

Wir unterstützen Sie  während Ihres kompletten Vorhabens mit Ihrem Medizinprodukt, beginnend bei einer kostenlosen Erstberatung, Hilfe bei der Einführung eines QM Systems, Studienplanung und Durchführung bis hin zur Technischen Dokumentation - immer mit primärem Bezug auf die klinischen Daten zum Produkt: von Anfang an bis zum Ende.

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