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Das Thema „Real World Data“ und „Real World Evidence“ nimmt gerade durch digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) nun auch für Medizinprodukte Fahrt auf. Um was handelt es sich dabei? Und inwieweit lässt sich dieses Thema auf die Datenerhebung für Medizinprodukte übertragen? Wann macht es Sinn?

Zugrundeliegende Regularien

Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG)
Digitale Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV)
DiGA-Leitfaden
EU-Verordnung 2017/745 (MDR)
ISO 14155

1. Was sind Real World Data (RWD) und Real World Evidence (RWE)?

Real World Data beziehen sich auf Daten über die Verwendung oder die potenziellen Vorteile oder Risiken eines Arzneimittels, das aus anderen Quellen als aus traditionellen klinischen Studien stammt.“ Diese Definition stammt von Jacqueline Corrigan-Curay, J.D., M.D., Direktorin des Office of Medical Policy-Centers der FDA. Er zeigt, dass dieses Thema bereits Einzug in die Arzneimittelbranche gehalten hat und insbesondere in den USA bereits Anwendung findet.

Was sind nun „Real World Data“? Damit bezeichnet man Datenerhebungen, die sich auf den tatsächlichen klinischen Routinealltag beziehen. Der Nachweis, der über diese Daten aus dem klinischen Routinealltag erbracht wird, wird als „Real World Evidence“ bezeichnet.

2. Real World Data – Erhebung und Nutzung

2.1 Real World Data bei Arzneimitteln

Real World Data werden in der Regel im Rahmen von Beobachtungsstudien erhoben. Diese sind für Arzneimittel reguliert. BfArM hat hierzu beispielsweise im Dezember 2019 folgende

„Gemeinsame Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und des Paul-EhrlichInstituts zu Anwendungsbeobachtungen nach § 67 Absatz 6 Arzneimittelgesetz und zur Anzeige von nichtinterventionellen  Unbedenklichkeitsprüfungen nach § 63f Arzneimittelgesetz“

veröffentlicht.

Solche Regulierungen gibt es bisher für Medizinprodukte nicht.

2.2 Daten aus dem klinischen Routinealltag bei Medizinprodukten

Bei DiGAs wird vor der DiGA-Studie oder dem Antrag auf Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis ein Evaluationskonzept gefordert. Dieses soll eine „systematische Datenauswertung neben einer systematischen Literaturrecherche und -bewertung auch den Einschluss eigener systematisch ausgewerteter Daten, die in der Anwendung der DiGA gewonnen wurden,“ umfassen.

Somit sind dies Daten aus dem klinischen Routinealltag der Anwendung der DiGA.

Auch Roche Diabetes nimmt zu diesem Thema Stellung:

Evaluierung des Nutzens digitaler Gesundheitsanwendungen über Real-World-Daten: Bei der Evaluierung des Nutzens digitaler Gesundheitsanwendungen sollte berücksichtigt werden, dass sich im Bereich der pharmakologischen Zulassungsverfahren zunehmend die Perspektive durchsetzt, dass randomisierte, kontrollierte Studien ein unvollständiges Abbild der Versorgungsrealität darstellen. Randomisierte, kontrollierte Studien sind dazu geeignet, valide Kausalitäten zwischen einer Intervention und ihrem Effekt herzustellen. Real-World-Daten (RWD) werden als potenzielle Quellen gesehen, um Einblicke darüber zu erhalten, wie zertifizierte Medizinprodukte und zugelassene Medikamente die Outcomes von Patienten in der realen Versorgung beeinflussen. Die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) diskutiert deshalb intensiv, wie RWD zukünftig bei der Lösung komplexer Fragestellungen integriert werden können...“

(Quelle: Roche Diabetes Politikportal, Zugriff am 30.03.2021)

Die fortschreitende Digitalisierung des Gesundheitswesens und eine daraus resultierende ansteigende Verfügbarkeit von digitalen Datensätzen bilden die Grundlage für einen zukünftig intensiveren Einsatz von RWD und RWE. Diese Entwicklungen eröffnen potentielle Chancen für neue Player im System: Plattformen für einen Datenaustausch zwischen Leistungserbringern und Institutionen werden notwendig, um RWE Daten zu generieren und zu verarbeiten (Meinert et al., 2018).

Aber nicht nur das DVG fordert solche Daten, auch die MDR mit der klinischen Nachbeobachtung (Post-Market Clinical Follow-up, PMCF). Diese soll nämlich kontinuierlich klinische Daten zum Medizinprodukt erheben, und zwar mit dem primären Ziel zu prüfen, ob die Anwendung in der Normal- oder Routineversorgung für eine bestimmte Patienten oder Anwender wirksam ist. Diesen Daten müssen deshalb den Routinealltag und die Routineversorgung gut widerspiegeln.

In Anhang IXV der MDR heißt es in Satz 1 von Teil B:
Die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen ist als ein fortlaufender Prozess zur Aktualisierung der klinischen Bewertung gemäß Artikel 61 und Teil A dieses Anhangs zu verstehen und wird im Plan des Herstellers zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen behandelt. Bei der klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen sammelt und bewertet der Hersteller auf proaktive Weise klinische Daten, die aus der Verwendung eines die CE-Kennzeichnung tragenden, im Rahmen seiner Zweckbestimmung gemäß dem einschlägigen Konformitätsbewertungsverfahren in den Verkehr gebrachten oder in Betrieb genommenen Produkts im oder am menschlichen Körper hervorgehen, um die Sicherheit und die Leistung während der erwarteten Lebensdauer des Produkts zu bestätigen, die fortwährende Vertretbarkeit der ermittelten Risiken zu gewährleisten und auf der Grundlage sachdienlicher Belege neu entstehende Risiken zu erkennen.“

Da im klinischen Routinealltag die Bedingungen meist andere als bei einer randomisierten, kontrollierten klinischen Prüfung sind, die in einem festgelegten Rahmen stattfindet, eignen sich randomisierte, kontrollierte klinische Prüfungen (randomized controlled trial, RCT) nur bedingt als PMCF-Studie. Deren Ergebnisse lassen nur limitiert auf die eigentliche Routineanwendung übertragen. Außerdem können so auch nicht unbedingt neue Risiken und Chancen sowie ein Off-Label Use ermittelt werden.

2.3 Regulierung bei Medizinprodukten?

Wie lassen sich solche Studien aber nun regulatorisch in Bezug auf Medizinprodukte einordnen? Hier sollte zunächst ein Exkurs in die evidenzbasierte Medizin gemacht werden.

 

Abbildung 1: Evidenzhierarchie nach evidenzbasierter Medizin (EbM), Quelle: DiGA Vademecum)

Zunächst wird dabei zwischen interventionellen und nicht-interventionellen Studien, sogenannten Beobachtungsstudien, unterschieden. Wird bei interventionellen Studien die Anwendung des Medizinproduktes bei einer bestimmten Population geplant und durchgeführt und sind alle Bedingungen dazu festgelegt, spricht man von einer interventionellen Studie. Ergebnisse sind hier immer auf die Intervention zurückzuführen. Interventionelle Studien sind somit oft vergleichend und stets prospektiv. Zu den Interventionsstudien gehört die viel­zitierte, vielgeforderte und wohl vielgefürchtete randomisierte kontrollierte Studie (Randomized Controlled Trial - RCT), der „Goldstandard" in der evidenzbasierten Medizin.

In Beobachtungsstudien wird keine geplante Intervention durchgeführt, sie werden daher auch nicht-interventionelle Studien genannt. Hier wird die Anwendung und der weitere Verlauf beim Patienten beobachtet und es werden entsprechende Schlussfolgerungen gezogen.

Bei Beobachtungsstudien wird also grundsätzlich keine Intervention gemäß klinischem Prüfplan durchgeführt, die Behandlung erfolgt ausschließlich nach der therapeutischen Praxis. Auch Beobachtungsstudien können sowohl vergleichend als auch nicht vergleichend durchgeführt werden; zudem können sie auch auf retrospektiven Daten basieren. Zu den bekanntesten nicht interventionellen Typen mit Kontrollgruppe gehören die Kohortenstudie und die Fall-Kontroll-Studie. Aber auch Register erheben Daten aus dem klinischen Routinealltag und werden anschließend retrospektiv ausgewertet.

Da die Ergebnisse von Beobachtungsstudien durch eine ganze Reihe von Verzerrungen (Bias) und Störfaktoren (Confounder) beeinflusst werden können, ist ihre interne Validität geringer als diejenige von Interventionsstudien. Ihre Evidenz ist jedenfalls in Bezug auf die Beantwortung der Frage nach dem klinischen Effekt einer konkreten Intervention grundsätzlich geringer als bei einer Interventionsstudie, da diese gerade die interne Validität bewertet. (Amboss, 2020)

Durch Beobachtung lassen sich Korrelationen feststellen; ein kausaler Zusammenhang ist damit jedoch nicht nachweisbar. Beobachtungsstudien sind im Vergleich zu Interventionsstudien in der Regel allerdings schneller und kostengünstiger durchführbar und verfügen im Vergleich zu Interventionsstudien über eine höhere externe Validität. Ohne den festgelegten Rahmen für die zu evaluierende Anwendung hat die Beobachtungsstudie zwar eine geringere interne Validität (und damit geringere Aussagekraft bzgl. der Wirksamkeit (Efficacy)), kann somit aber aber einen besseren Einblick in die Wirksamkeit im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten des klinischen Routinealltags geben.

Bei diesen so erhobenen Daten handelt es sich um „Echtweltdaten" (Real World Data – RWD). Die daraus gewonnene Evidenz wird entsprechend als „Real World Evidence" (RWE) genannt.

Regulatorisch gesehen lässt sich das Medizinprodukt nur im klinischen Routinealltag anwenden, wenn es mit einem CE-Zeichen versehen ist.  Der Beobachtungsstudie liegt kein klinischer Prüfplan zugrunde, sondern ein Beobachtungsplan. Somit trifft Artikel 74 der MDR nicht zu (§ 74 ist die Basis für klinische Prüfungen nach dem Inverkehrbringen, für die dennoch die in Anhang XV Kapitel II geforderten Dokumente erstellt werden müssen, z. B. der Prüfplan).

Bisher waren Beobachtungsstudien über § 23b MPG (Ausnahmen zur klinischen Prüfung) und der berufsrechtlichen Beratung nach § 15 der Berufsordnung für Ärzte (BO) reguliert. Dieser Paragraph fällt mit der MDR nun weg. Die MDR verweist in §82 (2) auf die Option der Mitgliedsstaaten, sonstige klinische Prüfungen auf lokaler Ebene zu regeln. Das deutsche Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz – MPEUAnpG tut das, in dem es „sonstige klinische Prüfungen, die bereits das CE-Zeichen tragen in § 47 definiert.  Dort ist auch klar formuliert, dass weder eine Anzeige bei der Bundesbehörde noch ein zustimmendes Votum der Ethikkommission von Nöten ist, wenn die Beobachtungsstudie die beiden folgenden Kriterien erfüllt:

  • die Teilnehmer werden keinen zusätzlichen (zur therapeutischen Routinebehandlung) Belastungen/Therapien ausgesetzt
  • das Medizinprodukt wird im Rahmen seiner Zweckbestimmung verwendet.

Was bleibt ist somit eine berufsrechtliche Beratung nach § 15 BO des Arztes, der die Beobachtungsstudie mit dem CE-gekennzeichneten Produkt gemäß Beobachtungsplan durchführt.

3. Was wir für Sie tun können

Da eine solche Datenerhebung von RWD ab dem 26. Mai 2021 nicht mehr reguliert ist und nicht unter das Dach der MDR fällt, bietet sie eine weitere Möglichkeit der Datenerhebung, um wiederum den P(ost) M(arket) C(linical) F(ollow-up)-Anforderungen der MDR gerecht zu werden.

Wir unterstützen Hersteller nicht nur beim Finden der richtigen Erhebungsmethode, sondern können auch in allen Punkten der Durchführung einer RWD-Beobachtungsstudie zur Seite stehen.

4. Wie wir Ihnen helfen können

Ob überhaupt und wenn ja welche klinische Prüfung unter welchen Voraussetzungen und gemäß welchen Anforderungen durchgeführt werden muss, klären wir bei medXteam im Rahmen der Pre-Study Phase: In 3 Schritten ermitteln wir die richtige und kosteneffiziente Strategie in Bezug auf die in Ihrem Fall erforderliche klinische Datenerhebung.

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Literaturquellen

Amboss (2020) Studientypen der medizinischen Forschung. URL: https://www.amboss.com/de/wissen/ Studientypen der medizinischen Forschung (Zugriff am 30.03.2021)

Meinert E, Alturkistani A, Brindley D, Knight P, Wells G, Pennington N. The technological imperative for value-based health care. British Journal of Hospital Medicine. 2018;79(6):328-32

Keywords: Fallzahlplanung, klinische Studie, klinische Prüfung

Nebenkeywords: Stichprobenumfang, Fallzahlberechnung

1. Einleitung

In der Planung für eine klinischer Prüfung spielt die Fallzahlplanung eine wichtige Rolle. Hier wird festgelegt, wie viele Probanden eingeschlossen werden müssen, um einen relevanten Effekt nachzuweisen – und damit letztendlich das Gelingen oder Scheitern einer Studie. Welche Überlegungen spielen dabei eine Rolle?

Für den Nachweis der Wirksamkeit jeder klinischen Prüfung, z. B. PMCF oder bei Zulassungsstudien werden Hypothesen anhand eines primären Endpunktes überprüft. Eine nachzuweisende Hypothese (Alternativhypothese genannt) kann z. B. die Überlegenheit eines Produktes gegenüber einer Standardtherapie sein. Die Bestätigung oder Verwerfung einer Hypothese wird anhand erhobener Daten beurteilt und auf die Ergebnisse dann auf die Grundgesamtheit, also auf die gesamte Zielgruppe übertragen. Damit dies aussagekräftig ist, müssen genügend viele Daten von Beobachtungen aus der Zielgruppe vorliegen. Liegen zu wenige Beobachtungen vor, können tatsächlich vorhandene Behandlungseffekte nicht nachgewiesen werden, die Studie scheitert. Auf der anderen Seite führt ein großer Stichprobenumfang zu hohen Kosten, ist ethisch nur schwer begründbar, bindet Ressourcen und verlängert die Studiendauer.

Mit der Fallzahlplanung wird die minimale Anzahl einzuschließender Patienten oder Probanden bestimmt, um einen tatsächlich vorhandenen Effekt nachzuweisen. Hierfür ist eine Reihe von Vorüberlegungen maßgeblich.

2. Gründe für eine Fallzahlplanung

Mit jeder konfirmatorischen klinischen Prüfung wird das Ziel verfolgt, eine Hypothese statistisch nachzuweisen. Ist der Stichprobenumfang zu gering, so kann ein tatsächlich zwischen zwei Behandlungsgruppen vorhandener Unterschied nicht nachgewiesen werden. Es resultiert ein nicht signifikanter statistische Test, obwohl tatsächlich Effekte vorhanden sind.

Andererseits ist die Datenerhebung verbunden mit einem hohen Zeitaufwand, personellen Ressourcen werden gebunden und für jeden zusätzlich eingeschlossenen Patienten entstehen Kosten. Werden zu viele Patienten rekrutiert führt dies außerdem dazu, dass selbst kleine, medizinisch irrelevante Effekte nachgewiesen werden.

Eine Fallzahlplanung für eine klinische Prüfung stellt somit sicher, dass

  1. Ein in der Zielgruppe vorhandener Effekt mit dem statistischen Test erkannt wird, der Test also ein signifikantes Ergebnis liefert
  2. Falls der statistische Test kein signifikantes Ergebnis zeigt stellt ein ausreichender Stichprobenumfang sicher, dass mit genügend hoher Sicherheit auch kein Effekt in der Zielgruppe (Grundgesamtheit) vorliegt.

Die Notwendigkeit einer Fallzahlplanung in der Planungsphase klinischer Prüfungen ist zudem gesetzlich vorgeschrieben und wird durch die Ethikkommission überprüft. Die Berechnung des Stichprobenumfangs ist ein essentieller Teil des klinischen Prüfplans sowie des statistischen Analyseplans.

Für prospektive Studiendesigns ist eine Fallzahlplanung vor Beginn der Studi unumgänglich, aber auch in Pilotstudien oder retrospektiven Studien sollte vorab überlegt werden, wie hoch die Fallzahl mindestens sein muss.

Aspekte der Fallzahlplanung

Mediziner, Prüfarzt, Statistiker und CRO arbeiten bei der Fallzahlplanung eng zusammen. Ausgangspunkt ist dabei immer der primäre Endpunkt sowie die zu überprüfende Hypothese der klinischen Studie.

3. Auswahl statistischer Test

Für die Auswahl des geeigneten statistischen Tests ist einerseits die Art der Fragestellung wesentlich. Je nachdem, ob Überlegenheit oder Äquivalenz einer Behandlung nachgewiesen werden soll, sind andere Testverfahren erforderlich. Auch das Skalenniveau der primären Zielvariable spielt eine entscheidende Rolle. Für nominale Merkmale (ja/nein, Erfolg/kein Erfolg) werden andere Verfahren eingesetzt als für ordinale (z. B. Likert-Skala) oder stetige Merkmale (z. B. visuelle Analogskala (VAS), Summenscores, etc.).

3.1 Effektgröße

Mit der Effektgröße wird der nachzuweisende, relevante Unterschied angegeben. Je nach verwendetem Testverfahren werden verschiedene Maße verwendet. Als bekannteste Effektgröße gilt bei stetigen Variablen Cohens d, das den Unterschied zweier unabhängiger Gruppen in Relation zur gemeinsamen Streuung angibt.

Für kategoriale Endpunkte wird die Effektgröße W verwendet, die sich als Wurzel der quadrierten relativen Differenz der Proportionen ergibt.

Nach Cohen (1988) gelten dabei grob folgende Faustregeln:

Effektstärke ≈ 0,2: kleiner Effekt

Effektstärke ≈ 0,5: mittlerer Effekt

Effektstärke ≈ 0,8: großer Effekt

Für die Festlegung der Effektgröße werden möglichst präzise Vorinformationen aus der Literatur bzw. eigenen Pilotstudien benötigt. Ebenso fließt der medizinisch und praktisch relevante, nachzuweisende Unterschied ein. Eine mittlere Blutdrucksenkung von wenigen mmHg, also eine sehr kleine Effektstärke kann zwar mit genügend hohem Stichprobenumfang statistisch nachgewiesen werden, ist aber praktisch für Patient und Mediziner irrelevant.

3.2 Signifikanzniveau des statistischen Tests

Das Signifikanzniveau a muss vorab festgelegt werden und im Studienprotokoll und im Statistischen Analyseplan (SAP) niedergeschrieben werden. Das Signifikanzniveau gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der man ein statistisch signifikantes Testergebnis erhält, sofern tatsächlich in der Zielgruppe kein Effekt vorhanden ist. Weiter wird unterschieden, ob der Test ein- oder zweiseitig durchgeführt wird. Einseitige Test überprüfen Überlegenheitshypothesen. Üblich sind zweiseitige Fragestellungen, die hinsichtlich eines Unterschieds zweier Therapien einen Vergleich durchführen. Als Signifikanzniveau hat sich der Wert a = 5% etabliert, bei einseitiger Fragestellung wird oft a = 2,5% verwendet.

3.3 Power oder Macht

In der Planungsphase wird auch die Power oder Macht der Studie festgelegt. Dabei versteht man die Wahrscheinlichkeit, dass ein statistischer Test, den tatsächlich vorhandenen Unterschied nachweist, also einen signifikanten p-Wert liefert. Die Macht einer Studie sollte also möglichst hoch sein. Hier sind Werte zwischen 80% und 90% üblich. Je höher die Power einer Studie, desto höher ist die resultierende Fallzahl.

4. Beispiel aus unserer NOVUSTAT Beratungspraxis

Im Rahmen einer klinischen Prüfung soll die Verbesserung der Lebensqualität, gemessen am Score der Skala „Körperliche Funktionsfähigkeit“ des SF-36 Fragebogen nach einer 3-monatigen Therapie, nachgewiesen werden. Der Wertebereich der Skala umfasst 0 bis 100 Punkte. Das Messinstrument ist gut dokumentiert, validiert und es existieren zahlreiche Publikationen mit diesem Messinstrument. Aus der Normwerttabelle des Bundes-Gesundheitssurveys[1]kann man ablesen, dass gesunde Menschen in dem Altersbereich 40-70 Jahre einen mittleren Score von 80-90 mit einer Standardabweichung von etwa 20 Scorepunkten zeigen. Für die Studienpopulation wird diese körperliche Funktionsfähigkeit bei Einschluss (vor Therapie) bei 50 Scorepunkten liegen (Standardabweichung 25 Scorepunkte), wie Ergebnisse einer Pilotstudie gezeigt haben. Nach dreimonatiger Therapie möchte man eine Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit um 30 Scorepunkte erreichen, so dass die mittlere Funktionsfähigkeit nach Therapie gesunden gleichaltrigen Personen entspricht. Für die Korrelation zwischen der ersten Messung vor Therapie und der zweiten Messung nach 3-monatiger Therapie wird ein geringer Wert von 0,2 erwartet (und mit den Daten der Pilotstudie bestätigt), aufgrund des zeitlichen Abstands.

Gibt man diese Werte in G*Power ein, einer Software zur Berechnung des Stichprobenumfangs, so erhält man folgendes Ergebnis:

Abb. 1 Berechnung der Effektgröße

Anhand der Angabe und Vorinformationen erhält man eine Effektgröße von 0,949, also etwa 1. Diese Information wir nun benötigt, um den minimal erforderlichen Stichprobenumfang zu berechnen, um einen Effekt von d = 0,949 nachzuweisen.

Für den Nachweis kann bei einem normalverteilten Merkmal ein zweiseitiger t-Test für verbundene Stichproben verwendet werden. Mit einem 5% Signifikanzniveau und einer Power von 90% werden für den Nachweis mindestens 14 Beobachtungen benötigt (S. Abbildung 2).

Abb. 2 Fallzahlberechnung für einen zweiseitigen T-Test mit verbundenen Stichproben.

Unter Berücksichtigung einer Drop-Out Rate von 10 % müssen mindestens 1,1*14 = 15,4, also 16 Patienten rekrutiert werden.

Im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse wird im weiteren Verlauf überprüft, wie sensibel die Fallzahl auf Abweichungen der Annahmen reagiert. Dazu kann einerseits die Effektgröße innerhalb sinnvoller Grenzen variiert werden, andererseits kann auch die Stichprobengröße mit einer nichtparametrischen Alternative durchgeführt werden. Eine Verringerung der Power bewirkt eine Verringerung der benötigten Fallzahl.

Eine graphische Sensitivitätsanalyse ist in Abbildung 3 zu sehen.

Abb. 3 Sensitivitätsanalyse: Fallzahl in Abhängigkeit von der Effektgröße und der Power der Studie

5. Quellen/Literatur

  • Fallzahlplanung in klinischen Prüfungn
  • Chow S, Shao J, Wang H. 2008. Sample Size Calculations in Clinical Research. 2nd Ed. Chapman & Hall/CRC Biostatistics Series.
  • Bock J., Bestimmung des Stichprobenumfangs für biologische Experimente und kontrollierte klinische Studien. Oldenbourg 1998

6. Was wir für Sie tun können

Vor dem Start einer klinischen Prüfung ist die Fallzahlplanung ein wichtiger Bestandteil der Vorbereitung. Mit der Fallzahlberechnung wird sichergestellt, dass der tatsächlich vorhandene Effekt auch nachgewiesen werden kann. Durch eine professionelle Fallzahlplanung wird darauf geachtet, dass der Stichprobenumfang so gering wie möglich bleibt. Die Fallzahlplanung erfolgt zugeschnitten auf die jeweilige Prüfung unter Berücksichtigung des Studiendesigns, der primären Zielvariable, der nachzuweisenden Hypothese und der erforderlichen Sicherheit. 

Deshalb umfasst unsere Studienplanung grundsätzlich und eigentlich immer mit als ersten Schritt die Fallzahlplanung. Auf dieser baut das gesamte Studienkonzept auf. Und somit kann die weitere Planung (z. B. Wie viele Prüfzentren werden benötigt? Wie lange brauche ich für die Rekrutierung? usw.) darauf aufbauen.

Wir bedanken uns an dieser Stelle bei unserem Partner Novustat für den Gastbeitrag, da wir finden, dass gerade dieses Thema oft unterschätzt wird.

Über den Autor: "Dr. Robert Grünwald ist seit 6 Jahren mit der Statistik-Beratung Novustat selbstständig und berät mit seinem Team schwerpunktmässig Kunden aus dem Bereich Pharma, Medizintechnik und Industrie bei allen Fragen rund um statistische Auswertungen."

Statistik-Beratung Novustat

8. Ausblick

In einem der nächsten Blogbeiträge werden wir wieder das Thema "Studientypen" aufnehmen und uns die Zulassungsstudie nach MDR Artikel 62 näher anschauen.

9. Wie wir Ihnen helfen können

Ob überhaupt und wenn ja welche klinische Prüfung unter welchen Voraussetzungen und gemäß welchen Anforderungen durchgeführt werden muss, klären wir bei medXteam im Rahmen der Pre-Study Phase: In 3 Schritten ermitteln wir die richtige und kosteneffiziente Strategie in Bezug auf die in Ihrem Fall erforderliche klinische Datenerhebung.

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[1] https://www.thieme.de/statics/dokumente/thieme/final/de/dokumente/zw_das-gesundheitswesen/gesu-suppl_klein.pdf

 

 

Die Blogreihe der medXteam GmbH geht im neuen Jahr weiter und greift mit dem ersten Beitrag 2021 das Thema DiGA-Studien auf.

Zugrundeliegende Regularien

Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG)
Digitale Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV)
DiGA-Leitfaden

1. Was ist eine DiGA?

Der Leitfaden gibt in Kapitel 2.1 eine Definition der „digitalen Helfer in den Händen der Patienten“. Demnach sind digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) Medizinprodukte der Risikoklasse I oder IIa (nach MDR oder, im Rahmen der Übergangsvorschriften bzw. bis zum Geltungsbeginn der MDR am 26.05.2021, nach MDD). Dabei beruht

  • die Hauptfunktion der DiGA auf digitalen Technologien.
  • Die DiGA ist keine digitale Anwendung, die lediglich dem Auslesen oder Steuern eines Gerätes dient; der medizinische Zweck muss wesentlich durch die digitale Hauptfunktion erreicht werden.
  • Die DiGA unterstützt die Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten oder die Erkennung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen.
  • Die DiGA dient nicht der Primärprävention (siehe auch Kapitel 2.1.4 DiGA in der Prävention).
  • Die DiGA wird vom Patienten oder von Leistungserbringer und Patient gemeinsam genutzt, d. h. Anwendungen, die lediglich vom Arzt zur Behandlung der Patienten eingesetzt werden („Praxisausstattung“), sind keine DiGA.“

DiGA sind somit zugelassene Medizinprodukte, die ein CE-Zeichen tragen und somit die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen gemäß Anhang I der MDR erfüllt haben. Allerdings nur die Medizinprodukte der Klasse I und Klasse IIa. Auch die, die durch die MDR von Klasse I auf Klasse IIa hochgestuft werden. Doch alle Medizinprodukte der Klasse IIb und III und die, die unter der Richtlinie 93/42/EWG (MDD) unter die Klasse IIa fallen und mit der MDR in Klasse IIb und höher eingestuft werden, gehören nicht zu der Gruppe der DiGAs. Für diese kann keine Aufnahme in das Verzeichnis erfolgen.

2 Wie kommt die DiGA in das Erstattungsverzeichnis?

Das DiGA-Verfahren ist grundsätzlich nur mit einem CE-gekennzeichneten Produkt möglich. Der Hersteller kann nun entscheiden, ob er direkt und endgültig in das Verzeichnis aufgenommen werden möchte oder ob dies zunächst vorläufig geschehen soll.

Das Verfahren ist als sogenanntes „Fast-Track-Verfahren“ konzipiert.

 

Bild1-DiGA: Ablauf des Fast-Track-Verfahrens. Quelle: DiGA-Leitfaden von BfArM

Bild2-DiGA: Antrag auf endgültige Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis. Quelle: DiGA-Leitfaden von BfArM

Um als DiGA in das Erstattungsverzeichnis (DiGA-Verzeichnis) aufgenommen zu werden, sind verschiedene Anforderungen zu erfüllen und das Prüfverfahren beim BfArM muss erfolgreich durchlaufen werden. Dazu gehören unter anderem ein Evaluationskonzept und eine darauf aufbauende klinische Studie. Was bedeutet dies für die besagten Medizinprodukte? Wie können die Anforderungen erfüllt werden und wie kann das Verfahren am besten abgewickelt werden?

2.1 Was ist eine DiGA-Studie?

Neben den allgemeinen Anforderungen

  • Sicherheit und Funktionstauglichkeit
  • Datenschutz
  • Informationssicherheit
  • Interoperabilität

und weiteren Qualitätsanforderungen wie:

  • Robustheit
  • Verbraucherschutz
  • Nutzerfreundlichkeit
  • Unterstützung der Leistungserbringer
  • Qualität der medizinischen Inhalte
  • Patientensicherheit

muss der Hersteller einer DiGA nachweisen, welche positiven Versorgungseffekt realisiert werden. Der DiGA-Leitfaden definiert den positiven Versorgungseffekt folgendermaßen:

„Besonderer Schwerpunkt liegt, wie in der Definition der DiGA gemäß § 33a SGB V bereits angelegt, auf der Patientenzentrierung der nachzuweisenden Effekte. Sowohl medizinischer Nutzen als auch patientenrelevante Struktur und Verfahrensverbesserungen beziehen sich unmittelbar auf die Patienten und sind mittels entsprechender Endpunkte nachzuweisen.“

Ein medizinischer Nutzen (mN) ist demnach:

  • eine Verbesserung des Gesundheitszustands (z. B. Reduzierung von Schmerzen, Verbesserung von Symptomen, …),
  • eine Verkürzung der Krankheitsdauer (z. B. verkürzte Dauer der Krankschreibung, verkürzte Therapiedauer, …),
  • eine Verlängerung des Überlebens oder
  • eine Verbesserung der Lebensqualität.

Patientenrelevante Struktur und Verfahrensverbesserungen (pSVV) sind:

  1. Koordination der Behandlungsabläufe,
  2. Ausrichtung der Behandlung an Leitlinien und anerkannten Standards,
  3. Adhärenz,
  4. Erleichterung des Zugangs zur Versorgung,
  5. Patientensicherheit,
  6. Gesundheitskompetenz,
  7. Patientensouveränität,
  8. Bewältigung krankheitsbedingter Schwierigkeiten im Alltag

oder

  1. Reduzierung der therapiebedingten Aufwände und Belastungen der Patienten und ihrer Angehörigen.

2.2 Anforderungen an eine DiGA-Studie

Der Gesetzgeber stellt an eine DiGA-Studie besondere und klar definierte Anforderungen. Diese werden im DiGA-Leitfaden beschrieben:

  • Grundsätzlich ist eine klinische Studie durchzuführen, Publikationen alleine reichen nicht aus.
  • Der Hersteller muss in dieser Studie mindestens einen positiven Versorgungseffekt, der entweder aus dem Bereich des medizinischen Nutzens oder aus dem Bereich der patientenrelevanten Struktur und Verfahrensverbesserungen kommt, nachweisen.
  • Zunächst sind die Patientengruppe und somit die Indikationen für die DiGA, für welche die Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis beantragt wird, festzulegen. Nur für diese Indikationen erfolgt dann die Erstattung. Gemäß Leitfaden müssen die Definition und Eingrenzung dieser Patientengruppe „anhand einer oder mehrerer Indikationen nach ICD-10 erfolgen, wobei ausschließlich sowohl drei- als auch vierstellige Angaben zulässig sind.“
  • Die Studie muss eine Überlegenheitsstudie sein, da sie zeigen muss, dass die Anwendung der DiGA besser ist als die Nichtanwendung. Deshalb handelt es sich um eine kontrollierte klinische Studie: Die Auswahl der Vergleichs- oder Kontrollgruppe muss dabei an der Versorgungsrealität orientiert sein. Beim Vergleich mit einer Behandlung ohne Anwendung einer DiGA ist z. B. auch ein Vergleich mit der Standardbehandlung (dem Standard of Care) möglich. Oder der Vergleich versus Nichtbehandlung bietet sich dann an, wenn eine DiGA zum Beispiel eine Versorgung für Patientinnen und Patienten anbietet, die andernfalls in der Mehrzahl unbehandelt blieben und ggf. auf einen Therapieplatz warten würden.
  • Bei der Studie muss es sich um eine quantitative vergleichende Studie handeln und die gewählte Methodik muss adäquat zum gewählten Untersuchungsgegenstand sein. Folgenden Designs sind möglich:
    • beobachtende/analytische Studie: z. B. Fall-/Kontrollstudien, Kohortenstudien
    • experimentelle Interventionsstudie: z. B. nichtrandomisierte/randomisierte kontrollierte Studien
    • Metaanalysen in Auswertung auch eigener Primärdaten
  • Die DiGA-Studie kann einen prospektiven oder retrospektiven Ansatz haben. Letzteres beispielsweise dann, wenn das Medizinprodukt schon lange auf dem Markt ist und die passenden Daten in der geforderten Form (vergleichend) bereits mit der DiGA erhoben und entsprechend dokumentiert wurden).
  • Die DiGA-Studie muss in Deutschland durchgeführt werden: Entweder als PMCF-Studie, wenn das Medizinprodukt bereits zugelassen ist (Artikel 74 der MDR oder bis Mai 2021: § 23b MPG) ) oder als Zulassungsstudie zum Nachweis der Konformität des Medizinproduktes mit den grundlegenden Leistungs- und Sicherheitsanforderungen (Artikel 62 der MDR oder bis Mai 2021: §§ 20 – 23a MPG).
  • Die DiGA-Studie muss weiterhin in ein Studienregister eingetragen werden und die Ergebnisse sind vollständig zu veröffentlichen
  • Für die DiGA-Studie sind folgende Regularien für klinische Prüfungen mit Medizinprodukten anzuwenden:
    • DIN EN ISO 14155 „Klinische Prüfung von Medizinprodukten an Menschen – Gute Klinische Praxis“ und die Richtlinie der FDA „Design Considerations for Pivotal Clinical Investigations for Medical Devices“
    • Bei einer ärztlichen Beteiligung gelten die ethischen Grundsätze der Deklaration von Helsinki.
    • Es muss mindestens eine berufsrechtliche Beratung bei einer Ethik-Kommission durchgeführt werden (siehe PMCF-Studie - § 23b MPG!) oder unter der MDR mindestens dann eine Stellungnahme der Ethikkommission eingeholt werden (Artikel 74 der MDR).

Das zeigt die Schnittstelle zu den Medizinprodukte-Regularien und die mögliche Nutzung dieser so erhobenen klinischen Daten für das PMCF (oder für die Zulassung des Medizinprodukts. Es empfiehlt sich deshalb dringend die Einhaltung der ISO 14155 und der MPG-/MDR-Anforderungen.

3. Was wir für Sie tun können

Eine DiGA-Studie ist eine nationale Besonderheit, schon alleine deshalb, weil sie nur in Deutschland durchführt werden kann. Es ist auch eine Studienanforderung an Medizinprodukte, für die normalerweise bzw. in der Regel im Rahmen der Erfüllung der grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen für Medizinprodukte bei deren Nachweis in der klinischen Bewertung auf klinische Daten verzichtet werden kann. Stattdessen werden Leistungsdaten herangezogen.

Grundsätzlich holen wir DiGA-Hersteller dort ab, wo sie stehen und wir versuchen, regulatorische Medizinprodukte- mit DiGA-Anforderungen im Hinblick auf die klinische Studie möglichst miteinander zu verbinden, da ein solcher Aufwand durchaus für beide Bereiche genutzt werden kann. Somit können zwei Fliegen(MDR und DVG) mit einer Klappe geschlagen werden. Das fängt z. B. bei der Formulierung der richtigen Zweckbestimmung des Medizinprodukts an, um später bei Verhandlungen mit der Krankenkasse auch punkten zu können. Es geht mit der Einschätzung des richtigen Zeitpunkts der DiGA-Studie, mit dem Evaluationskonzept und der Studienplanung weiter und endet mit dem Nachweis des positiven Versorgungseffektes.

Deshalb erarbeiten wir mit den DiGA-Herstellern zunächst eine Strategie, wie sie auf ihrem Versorgungspfad nun optimal den positiven Versorgungseffekt nachweisen können. Und zwar abhängig von ihrer Ausgangssituation und von ihren Zielen.

4. Ausblick

Im nächsten Blogbeitrag werden wir uns einem wesentlichen Bestandteil der Planungsphase einer klinischen Prüfung, der statistischen Fallzahlplanung, detailliert zuwenden. 

5. Wie wir Ihnen helfen können

Ob überhaupt und wenn ja welche klinische Prüfung unter welchen Voraussetzungen und gemäß welchen Anforderungen durchgeführt werden muss, klären wir bei medXteam im Rahmen der Pre-Study Phase: In 3 Schritten ermitteln wir die richtige und kosteneffiziente Strategie in Bezug auf die in Ihrem Fall erforderliche klinische Datenerhebung.

Haben Sie jetzt schon erste Fragen?

Eine kostenfreie Erstberatung erhalten Sie hier: kostenlose Erstberatung 

Die Blog-Reihe zu den Typen klinischer Prüfungen wird im Dezember durch unser „Weihnachtsspezial“ unterbrochen. Hiermit möchten wir Sie umfassend über die wichtigen Änderungen in Bezug auf klinische Prüfungen durch die MDR noch dieses Jahr informieren, damit Sie für 2021 gewappnet sind.

Das Besondere an unserer Aktion ist dabei, dass der Beitrag bis Weihnachten wächst. Jede Woche kommen neue Abschnitte dazu. Im Januar wird es dann mit dem Thema DiGA-Studien weitergehen.

Der erste Teil unseres Dezemberspecials gab Ihnen einen Leitfaden für das Antragsverfahren für klinische Prüfungen im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens bei der Bundesoberbehörde und der Ethikkommissionen. Der zweite Teil beschäftigte sich mit dem Antragsverfahren für klinische Prüfungen mit CE-gekennzeichneten Produkten. Im heutigen dritten Teil geht es nun um das Antragsverfahren bei sonstigen klinischen Prüfungen.

Abkürzungen.

BOB (Bundesoberbehörde)

EK (Ethikkommission)

KP (klinische Prüfung)

MDR (medical device regulation; Verordnung 2017/745)

MPEUAnpG (das Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz wurde am 25.05.2020 vom Bundestag als Gesetze verabschiedet. Dieses MPAnpG-EU beschreibt im Artikel 1 das Medizinprodukte-Durchführungsgesetz (MPDG))

MPDG (das MPDG wird das Medizinproduktegesetz (MPG) ab 26. Mai 2021 schrittweise ablösen und für alle Hersteller und Betreiber von Medizinprodukten in Deutschland rechtsverbindlich sein).

Teil 3: Antragsverfahren – Genehmigungsprozess für sonstige klinische Prüfungen - Artikel 82 MDR

1. Einleitung

Aktuell noch und bis zur Gültigkeit der MDR ab 21. Mai 2021 ist das Thema "sonstige klinische Prüfung" nicht reguliert. Und das, obwohl es Grundlagenforschung nicht erst seit der EU-Verordnung 2017/745 (Medical Device Regulation, MDR) im Jahre 2017 gibt. Aber klinische Prüfungen im Rahmen der Grundlagenforschung am Menschen, die nicht zur Bewertung von klinischer Leistung, Sicherheit und Nutzen durchgeführt werden, führten oftmals zu Unsicherheiten bei den jeweiligen Ethikkommissionen und zu einigen Projekten, die nicht umgesetzt werden konnten.

Das alles ändert sich nun mit der MDR: 

Die MDR reguliert dies nun im Artikel 82 mit den sog. „sonstigen klinischen Prüfungen“ (engl. „other clinical investigations“), dessen Umsetzung auf nationaler Ebene in Deutschland über das MPEUAnpG (Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz) in Kapitel 4, Unterabschnitt 2, § 47 bis § 61 detailliert wird. Dazu zählen auch die Antrags- und Genehmigungsverfahren für diesen klinischen Prüfungstyp, der sowohl mit einem Produkt in der Entwicklung, mit einem Prototypen oder aber auch mit CE-gekennzeichneten Produkten durchgeführt werden können. Das ist abhängig davon, zu welchem Zeitpunkt die wissenschaftliche oder andere Fragestellung beantwortet werden soll.

2. Genehmigungsprozess für sonstige klinische Prüfungen mit Medizinprodukten (Artikel 82 MDR und MPEUAnpG § 47-53)

2.1 Definition: § 3 Satz 4 des MPEUAnpG

Eine „sonstige klinische Prüfung“ eines Produktes ist eine klinische Prüfung, die

a) nicht Teil eines systematischen und geplanten Prozesses zur Produktentwicklung oder der Produktbeobachtung eines gegenwärtigen oder künftigen Herstellers ist,

b) nicht mit dem Ziel durchgeführt wird, die Konformität eines Produktes mit den Anforderungen der Verordnung (EU) 2017/745 nachzuweisen,

c) der Beantwortung wissenschaftlicher oder anderer Fragestellungen dient und

d) außerhalb eines klinischen Entwicklungsplans nach Anhang XIV Teil A Ziffer 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2017/745 erfolgt.

„Sonstige klinische Prüfungen“ dienen somit NICHT zum Nachweis von Leistung, Sicherheit, Nutzen gemäß Artikel 62 Abschnitt 1 MDR. Sie sind somit nicht mit klinischen Prüfungen im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens (Artikel 62 Abs. 1 der MDR) oder mit klinischen Prüfungen in Bezug auf Produkte, die die CE-Kennzeichnung tragen (Artikel 74 der MDR) und somit PMCF-Studien gleichzusetzen!

Grundsätzlich gilt allerdings auch für „sonstige klinische Prüfungen“, dass das Prüfprodukt den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen entsprechen und sicher sein muss (§ 62 Abs. 4, Buchstabe l).

Die „sonstige KP“ müssen § 62 MDR Abs. 2, 3 und 4 Buchstaben b, c, d, f, h und l und Abs. 6 genügen.

Wer überprüft dies nun?

2.2 Welche Anträge müssen eingereicht werden?

Um zu überprüfen, ob Produkte/Prototypen, mit denen die sonstige klinische Prüfung durchgeführt werden soll, sicher sind und den o. g. Anforderungen genügen, ist folgendes zu beachten:

  • Die Anforderungen an eine sonstige KP sind in den §§ 47ff MPEUAnpG geregelt und im entsprechenden Blog-Beitrag aus dem November (Sonstige klinische Prüfungen mit Medizinprodukten) beschrieben.
  • Es ist auch hier eine zustimmende EK-Stellungnahme erforderlich (= Votum der EK).
  • Gemäß § 53 des MPEUAnpG ist nun auch eine Anzeige bei BfArM erforderlich:

„Eine sonstige klinische Prüfung ist nach § 47 Absatz 2 Nummer 2 vom Sponsor bei der zuständigen Bundesoberbehörde über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 anzuzeigen.“

  • Auch Änderungen müssen angezeigt werden (§ 54 MPEUAnpG).

Die Fristen für die EK-Stellungnahme sind dieselben wie bei klinischen Prüfungen nach Artikel 62 Abs. 1 der MDR (Teil 1 des Weihnachtsspezials).

Hinsichtlich der Anzeige bei BfArM unterrichtet

das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte [...] über ein automatisiertes Verfahren die für den Sitz des Sponsors oder die für den Sitz seines rechtlichen Vertreters zuständige Behörde und die für die Prüfstellen zuständigen Behörden über eine Anzeige.

Es findet also lediglich eine Unterrichtung, doch keine Bewertung/Genehmigung etc. statt.

Der Unterabschnitt 2 - Titel 1 - § 47 Abs. 3 des MPEUAnpG definiert das Verfahren für sonstige klinische Prüfungen mit Produkten, die bereits die CE-Kennzeichnung nach Artikel 20 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2017/745 tragen, soweit die sonstige klinische Prüfung im Rahmen der von der CE-Kennzeichnung umfassten Zweckbestimmung durchgeführt wird und die Prüfungsteilnehmer über die normalen Verwendungsbedingungen des Produkts hinaus keinen zusätzlichen invasiven oder belastenden Verfahren unterzogen werden.

  • In diesem Fall ist keine Stellungnahme der Ethikkommission erforderlich.
  • Auch eine Anzeige bei der Bundesoberbehörde muss nicht erfolgen.

2.3 Was bedeutet das?

Bei sonstigen klinischen Prüfungen mit Prototypen, Medizinprodukten in der Entwicklung (ohne CE-Zeichen) oder mit deren Komponenten wird eine Stellungnahme von der EK wie bei einer Zulassungsstudie (s. Teil 1 des Weihnachtsspezials) gefordert. Das bedeutet, mit der Gültigkeit der MDR wird für sonstige klinische Prüfungen definitiv ein EK-Votum benötigt. (Artikel 62 Absatz 4 Satz b) Bei BfArM ist diese sonstige klinische Prüfung anzuzeigen (§ 47 MPEUAnpG).

Bei CE-gekennzeichneten Produkten wird bei sonstigen klinischen Prüfungen zur Beantwortung wissenschaftlicher oder anderer Fragestellungen weder ein EK-Votum noch eine Anzeige bei BfArM gefordert.

Doch Achtung: Sollten im Rahmen der sonstigen klinischen Prüfung zusätzliche invasive oder belastende Verfahren angewendet werden oder sollte das Medizinprodukt dabei außerhalb seiner Zweckbestimmung angewendet werden, so muss der Sponsor die sonstige klinische Prüfung bei BfArM anzeigen und bei der EK eine Stellungnahme einholen.

2.4 Welche Auswirkungen hat das?

Das für sonstige klinische Prüfungen mit nicht-CE-gekennzeichneten Medizinprodukte benötigte EK-Votum bedeutet eine vollumfängliche Prüfung auch der Qualifikation von Hauptprüfer und Prüfer: Die MDR selbst sagt hierzu nichts aus, diese Anforderungen ergeben sich aus den nationalen Regulierungen im § 30 des MPEUAnpG:

(4) Als Leiter einer klinischen Prüfung oder einer sonstigen klinischen Prüfung kann nur bestimmt werden, wer eine mindestens zweijährige Erfahrung in der klinischen Prüfung von Medizinprodukten nachweisen kann.

(5) Der Nachweis der [...] geforderten Qualifikation ist durch einen aktuellen Lebenslauf und durch andere aussagefähige Dokumente zu erbringen.

Das bedeutet, dass auch bei sonstigen klinischen Prüfungen, die ein EK-Votum benötigen, als Qualifikationsvoraussetzung eine zweijährige Erfahrung mit Medizinproduktestudien gefordert wird. Dies stellt somit auch bei diesen klinischen Prüfungen ab Mai 2021 eine größere Hürde dar.

3. Ausblick

Das war nun Teil 3 unseres „Weihnachtsspezial“ und diese Woche folgt dann noch ein weiterer Beitrag zum Sicherheitsreporting bei klinischen Prüfungen, das im Guidance Dokument MDCG 2020-10/1 detailliert reguliert wird. Auch damit werden wir Sie wieder umfassend über die wichtigen Änderungen in Bezug auf klinische Prüfungen durch die MDR noch dieses Jahr informieren, damit Sie für 2021 gewappnet sind.

Das Besondere an dieser Aktion ist, dass der Beitrag bis Weihnachten auch noch diese Woche mit Teil 4 wächst.

Im Januar wird es dann mit dem Thema DiGA-Studien weitergehen.

4. Wie wir Ihnen helfen können

Ob überhaupt und wenn ja welche klinische Prüfung unter welchen Voraussetzungen und gemäß welchen Anforderungen durchgeführt werden muss, klären wir bei medXteam im Rahmen der Pre-Study Phase: In 3 Schritten ermitteln wir die richtige und kosteneffiziente Strategie in Bezug auf die in Ihrem Fall erforderliche klinische Datenerhebung.

Haben Sie jetzt schon erste Fragen?

Eine kostenfreie Erstberatung erhalten Sie hier: kostenlose Erstberatung 

Die Blog-Reihe zu den Typen klinischer Prüfungen wird im Dezember durch unser „Weihnachtsspezial“ unterbrochen. Hiermit möchten wir Sie umfassend über die wichtigen Änderungen in Bezug auf klinische Prüfungen durch die MDR noch dieses Jahr informieren, damit Sie für 2021 gewappnet sind.

Das Besondere an unserer Aktion ist dabei, dass der Beitrag bis Weihnachten wächst. Jede Woche kommen neue Abschnitte dazu. Im Januar wird es dann mit dem Thema DiGA-Studien weitergehen.

Der erste Teil unseres Dezemberspecials gab Ihnen einen Leitfaden für das Antragsverfahren für klinische Prüfungen im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens bei der Bundesoberbehörde und der Ethikkommissionen. Der zweite Teil beschäftigte sich mit dem Antragsverfahren für klinische Prüfungen mit CE-gekennzeichneten Produkten. Der dritte Teil drehte sich um das Antragsverfahren bei sonstigen klinischen Prüfungen. Abschließen werden wir das Weihnachtsspezial heute nun mit dem Thema Safety Reporting bei klinischen Prüfungen, das explizit auch im MDCG-Dokument 2020-10/1 reguliert wird.

Abkürzungen.

BOB (Bundesoberbehörde)

EK (Ethikkommission)

KP (klinische Prüfung)

MDR (medical device regulation; Verordnung 2017/745)

MPEUAnpG (das Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz wurde am 25.05.2020 vom Bundestag als Gesetze verabschiedet. Dieses MPAnpG-EU beschreibt im Artikel 1 das Medizinprodukte-Durchführungsgesetz (MPDG))

MPDG (das MPDG wird das Medizinproduktegesetz (MPG) ab 26. Mai 2021 schrittweise ablösen und für alle Hersteller und Betreiber von Medizinprodukten in Deutschland rechtsverbindlich sein).

Teil 4: Safety Reporting bei klinischen Prüfungen - Artikel 82 MDR

1. Definitionen

Bei klinischen Prüfungen können jederzeit unerwünschte oder gar schwerwiegende unerwünschte Ereignisse auftreten, von welchen letztere den Behörden zu melden sind. Die MDR definiert ein unerwünschtes Ereignis als 

... ein nachteiliges medizinisches Ereignis, eine nicht vorgesehene Erkrankung oder Verletzung oder nachteilige klinische Symptome, einschließlich anormaler Laborbefunde, bei Prüfungsteilnehmern, Anwendern oder anderen Personen im Rahmen einer klinischen Prüfung, auch wenn diese nicht mit dem Prüfprodukt zusammenhängen. 

Ein schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis wird folgendermaßen definiert:

„schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis“ bezeichnet ein unerwünschtes Ereignis, das eine der nachstehenden Folgen hatte:

a) Tod,

b) schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands des Prüfungsteilnehmers, die ihrerseits eine der nachstehenden Folgen hatte:

  1. lebensbedrohliche Erkrankung oder Verletzung,
  2. bleibender Körperschaden oder dauerhafte Beeinträchtigung einer Körperfunktion,
  3. stationäre Behandlung oder Verlängerung der stationären Behandlung des Patienten,
  4. medizinische oder chirurgische Intervention zur Verhinderung einer lebensbedrohlichen Erkrankung oder Verletzung oder eines bleibenden Körperschadens oder einer dauerhaften Beeinträchtigung einer Körperfunktion,
  5. chronische Erkrankung,

c) Fötale Gefährdung, Tod des Fötus oder kongenitale körperliche oder geistige Beeinträchtigungen oder Geburtsfehler. 

In klinischen Prüfungen definiert man nun noch weitere "Ereignisse":

„Produktmangel“ bezeichnet eine Unzulänglichkeit bezüglich Identifizierung, Qualität, Haltbarkeit, Zuverlässigkeit, Sicherheit oder Leistung eines Prüfprodukts, einschließlich Fehlfunktionen, Anwendungsfehlern oder Unzulänglichkeit der vom Hersteller bereitgestellten Information.

Auch das MDCG-Dokument definiert diese drei Ereignisse in Kapitel 3.

Unerwünschte Ereignisse werden mit "UE" abgekürzt. Im Englischen sind das "Averse events", die Abkürzung dazu laut "AE".

Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse werden mit "SUE" abgekürzt. Im Englischen spricht man von "serious Averse events", die mit "SAE" abgekürzt werden.

2. Welche Ereignisse müssen gemeldet werden?

2.1 Klinische Prüfungen nach Artikel 62 der MDR

Zunächst sind in klinischen Prüfungen alle Ereignisse zu dokumentieren. Dazu zählen:

  • alle unerwünschten Ereignisse
  • alle schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse
  • alle Produktmängel, die ggf. zu schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen hätte führen können
  • sowie alle neuen Erkenntnisse zum Produkt in Bezug auf das aufgetretene Ereignis 

Welche Ereignisse nun gemeldet werden müssen, geht aus Artikel 80 der MDR und dem MDCG-Dokument hervor:

Der Sponsor meldet unverzüglich über das in Artikel 73 genannte elektronische System allen Mitgliedstaaten, in denen die klinische Prüfung durchgeführt wird,

a) jedes schwerwiegende unerwünschte Ereignis, das einen Kausalzusammenhang mit dem Prüfprodukt, dem Komparator oder dem Prüfverfahren aufweist oder bei dem ein Kausalzusammenhang durchaus möglich erscheint,

b) jeden Produktmangel, der bei Ausbleiben angemessener Maßnahmen oder eines Eingriffs oder unter weniger günstigen Umständen zu schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen hätte führen können,

c) alle neuen Erkenntnisse in Bezug auf ein Ereignis gemäß den Buchstaben a und b. 

Meldepflichtige Ereignisse müssen vom Sponsor der klinischen Prüfung, der der Hersteller, der gesetzliche Vertreter oder eine andere Person6 oder Einrichtung sein kann, gemeldet werden.

Meldepflichtige Ereignisse müssen zur gleichen Zeit an alle Behörden gemeldet werden, bei denen die klinische Prüfung begonnen wurde. Dazu ist eine Auflistung in der im MDCG-Dokument vorgegebenen Tabelle vorzunehmen.

Die Fristen zur Meldung werden insbesondere in MDCG-2020/1 in Kapitel 8 definiert. Der Sponsor meldet jedes meldepflichtige Ereignis an die Behörden, in deren Zuständigkeitsbereich die klinische Prüfung durchgeführt wird (auch in anderen EU-Ländern und in Drittländern),

  • jedes meldepflichtige Ereignis das auf eine unmittelbare Todesgefahr, eine schwere Verletzung oder einer schwere Erkrankung hinweist und das sofortige Abhilfemassnahmen für andere Patienten/Probanden, Anwender oder andere Personen erfordert oder neue Erkenntnis hierzu: unverzüglich, jedoch nicht später als als 2 Kalendertage, nachdem der Sponsor Kenntnis von einem neuen meldepflichtigen Ereignis oder von neuen Informationen im Zusammenhang mit einem bereits gemeldeten Ereignis erlangt hatDies schließt signifikante und unerwartete Ereignisse ein, die eine potenzielle Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen können. Eingeschlossen ist auch die Möglichkeit des Auftretens mehrerer Todesfälle in kurzen Abständen.
  • Alle anderen meldepflichtigen Ereignisse oder eine neue Erkenntnis/Aktualisierung dazu: unverzüglich, jedoch nicht später als 7 Kalendertage nach dem Datum, an dem der Sponsor von dem neuen meldepflichtigen Ereignis oder von neuen Informationen im Zusammenhang mit einem bereits gemeldeten Ereignis Kenntnis erlangt hat.

Damit der Sponsor die Fristen einhalten kann, muss dieser dafür Sorge tragen, dass die Meldung der meldepflichtigen Ereignisse durch den Prüfer an den Sponsor unverzüglich, jedoch nicht später als 3 Kalendertage nach Kenntnisnahme des Ereignisses durch das Prüfpersonal des Prüfzentrums erfolgen kann. Dazu ist ein entsprechendes System einzurichten.

2.2 Klinische Prüfungen nach Artikel 74 der MDR

Bei den klinischen Prüfungen nach dem Inverkehrbringen (PMCF-Studien) gelten gemäß Artikel 80 Abschnitt 5 der MDR die Vigilanz-Bestimmungen der Artikel 87 bis 90 und der nach Artikel 91 erlassenen Rechtsakte.

Hier unterscheidet man zwischen den folgenden „Ereignissen“:

Gemäß MDR bezeichnet ein „Vorkommnis“

… eine Fehlfunktion oder Verschlechterung der Eigenschaften oder Leistung eines bereits auf dem Markt bereitgestellten Produkts, einschließlich Anwendungsfehlern aufgrund ergonomischer Merkmale, sowie eine Unzulänglichkeit der vom Hersteller bereitgestellten Informationen oder eine unerwünschte Nebenwirkung.

Ein

… „schwerwiegendes Vorkommnis“ bezeichnet ein Vorkommnis, das direkt oder indirekt eine der nachstehenden Folgen hatte, hätte haben können oder haben könnte: a) den Tod eines Patienten, Anwenders oder einer anderen Person, b) die vorübergehende oder dauerhafte schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands eines Patienten, Anwenders oder anderer Personen, c) eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Gesundheit.

Gemäß Artikel 87 Abschnitt 1 der MDR ist

… jedes schwerwiegende Vorkommnis im Zusammenhang mit Produkten, die auf dem Unionsmarkt bereitgestellt werden, außer erwarteter Nebenwirkungen, die in den Produktinformationen eindeutig dokumentiert, in der technischen Dokumentation quantifiziert und Gegenstand der Meldung von Trends gemäß Artikel 88 der MDR sind,

zu melden.

Für die schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse, bei denen ein Kausalzusammenhang zwischen dem schwerwiegenden unerwünschten Ereignis und dem vorangegangenen Prüfverfahren hergestellt wurde, gelten jedoch die Meldeverfahren für klinische Prüfungen gemäß Artikel 80 der MDR.

Das MDCG-Dokument definiert meldepflichtige Ereignisse bei klinischen Prüfungen im Rahmen des PMCF somit als diejenigen schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse, bei denen ein kausaler Zusammenhang zwischen dem schwerwiegenden unerwünschten Ereignis und dem vorausgegangenen Prüfverfahren hergestellt wurde.

Gemäß Artikel 87 der MDR

… hängt die Frist, innerhalb deren die Meldung gemäß Absatz 1 des Artikels 87 zu erfolgen hat, von der Schwere des schwerwiegenden Vorkommnisses ab.

In Abschnitt 3 des Artikels 87 heißt es:

Die Hersteller melden jedes schwerwiegende Vorkommnis im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe a unverzüglich, nachdem sie einen Kausalzusammenhang oder einen durchaus möglichen Kausalzusammenhang zwischen dem Vorkommnis und ihrem Produkt festgestellt haben, spätestens jedoch 15 Tage, nachdem sie Kenntnis von dem Vorkommnis erhalten haben.

Abschnitt 4:

Ungeachtet des Absatzes 3 erfolgt im Falle einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Gesundheit die Meldung gemäß Absatz 1 unverzüglich, spätestens jedoch zwei Tage, nachdem der Hersteller Kenntnis von dieser Gefahr erhalten hat.

Abschnitt 5:

Ungeachtet des Absatzes 3 erfolgt im Falle des Todes oder einer unvorhergesehenen schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustands einer Person die Meldung unverzüglich, nachdem der Hersteller einen Kausalzusammenhang zwischen dem Produkt und dem schwerwiegenden Vorkommnis festgestellt hat oder sobald er einen solchen Zusammenhang vermutet, spätestens jedoch zehn Tage, nachdem er Kenntnis von dem schwerwiegenden Vorkommnis erhalten hat.

3. Kausalität

Der Zusammenhang zwischen der Anwendung des Medizinprodukts (einschließlich des medizinisch-chirurgischen Verfahrens) und dem Auftreten der einzelnen unerwünschten Ereignisse muss bewertet und kategorisiert werden.
Die Bewertung der Kausalität erfolgt im Rahmen des klinischen Urteilsvermögens des Prüfers. Dabei sind die relevanten Dokumente, wie z. B. das Handbuch des klinischen Prüfers (Investigator’s Brochure, IB), der klinische Prüfplan oder die Risikoanalyse und der Risikomanagementbericht zu Rate zu ziehen. Dort sind nämlich alle vorhersehbaren schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse und die potenziellen Risiken aufgelistet und wurden entsprechend bewertet. Das Vorhandensein von Störfaktoren, wie z. B. Begleitmedikation/-behandlung, der natürliche Verlauf der zugrundeliegenden Erkrankung, andere gleichzeitige Erkrankungen oder Risikofaktoren sind ebenfalls zu berücksichtigen.
Die obigen Überlegungen gelten auch für die schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse, die in der Kontrollgruppe auftreten.
Jedes schwerwiegende unerwünschte Ereignis wird nach vier verschiedenen Stufen der Kausalität klassifiziert:

1. Kein Zusammenhang
2. Möglicher Zusammenhang
3. Wahrscheinlicher Zusammenhang
4. Kausaler Zusammenhang

Folgende Definitionen finden für die Beurteilung des Zusammenhangs des schwerwiegenden unerwünschten Ereignisses mit dem Prüfprodukt, dem Kontrollprodukt oder dem Prüfverfahren Anwendung:

a. Kein Zusammenhang:

Ein Zusammenhang mit dem Produkt, dem Kontrollprodukt oder dem Prüfverfahren kann ausgeschlossen werden, wenn:

  • das Ereignis in keinem zeitlichen Zusammenhang mit der Anwendung des Prüfprodukts oder den mit der Anwendung des Prüfprodukts verbundenen Verfahren steht Prüfproduktes steht,
  • das schwerwiegende unerwünschte Ereignis folgt keinem bekannten Reaktionsmuster auf das Medizinprodukt (wenn das Reaktionsmuster zuvor bekannt war) und biologisch unplausibel ist,
  • die Beendigung der Anwendung des Medizinprodukts oder die Verringerung des Aktivierungs-/Expositionsgrades - wenn klinisch durchführbar -
    und die Wiedereinführung der Anwendung (oder die Erhöhung des Aktivierungs-/Expositionsniveaus) haben keinen Einfluss auf das schwerwiegende unerwünschte Ereignis,
  • das Ereignis sich auf eine Körperstelle oder ein Organ bezieht, die/das nicht durch das Produkt oder Verfahren beeinflusst werden kann,
  • das schwerwiegende unerwünschte Ereignis auf eine andere Ursache zurückgeführt werden kann (z. B. eine zugrundeliegende oder gleichzeitige Krankheit/ein klinischer Zustand, eine Wirkung eines anderen Produkts, Arzneimittels, einer Behandlung oder anderer Risikofaktoren),
  • das Ereignis nicht - falls zutreffend - von einem falschen Ergebnis des zur Diagnose verwendeten Prüfprodukts abhängt.

Um den Nicht-Zusammenhang festzustellen, müssen abhängig von der Art des Produkts/Verfahren und des schwerwiegenden unerwünschten Ereignisses möglicherweise nicht alle oben aufgeführten Kriterien gleichzeitig erfüllt werden.

b. Möglicher Zusammenhang:

Der Zusammenhang mit der Anwendung des Prüfprodukts oder des Kontrollprodukts oder der Zusammenhang mit den Verfahren ist schwach, kann aber
kann aber nicht vollständig ausgeschlossen werden. Alternative Ursachen sind ebenfalls möglich (z. B. eine zugrundeliegende oder gleichzeitige Erkrankung/klinischer Zustand oder/und eine Wirkung eines anderen Produkts, Medikaments oder einer Behandlung). Fälle, in denen der Zusammenhang nicht beurteilt werden kann oder keine Informationen vorliegen sollten ebenfalls als möglich eingestuft werden.

c. Wahrscheinlicher Zusammenhang:

Der Zusammenhang mit der Anwendung des Prüfprodukts oder des Kontrollprodukts oder der Zusammenhang mit Verfahren scheint relevant und/oder das Ereignis kann nicht durch eine andere Ursache vernünftig erklärt werden.

d. Kausaler Zusammenhang:

Das schwerwiegende unerwünschte Ereignis steht zweifelsfrei mit dem Prüfprodukt, dem Kontrollprodukt oder mit den Verfahren in Verbindung, wenn:

  • das Ereignis eine bekannte Nebenwirkung der Produktkategorie des Prüfprodukts oder ähnlicher Produkte und Verfahren ist,
  • das Ereignis in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Verwendung/Anwendung des Prüfprodukts oder den Verfahren steht,
  • das Ereignis eine Körperstelle oder ein Organ betrifft,

          o an der das Prüfprodukt oder die Verfahren angewendet werden

          o auf die das Prüfprodukt oder die Verfahren eine Wirkung hat/haben

  • das schwerwiegende unerwünschte Ereignis einem bekannten Reaktionsmuster auf das Medizinprodukt folgt (wenn das Reaktionsmuster bereits bekannt ist),
  • die Unterbrechung der Anwendung des Medizinprodukts (oder die Verringerung des Aktivierungs-/Expositionsgrades) und die Wiedereinführung seiner Anwendung
    (oder Erhöhung des Aktivierungs-/Expositionsniveaus), Auswirkungen auf das schwerwiegende unerwünschte Ereignis (wenn klinisch möglich) hat,
  • andere mögliche Ursachen (z. B. eine zugrundeliegende oder gleichzeitige Erkrankung/klinischer Zustand oder/und eine Wirkung eines anderen Produkts, Arzneimittels oder einer Behandlung) in angemessener Weise ausgeschlossen werden konnten,
  • der Schaden für den Studienteilnehmer auf einen Anwendungsfehler zurückzuführen ist,
  • das Ereignis von einem falschen Ergebnis des zur Diagnose verwendeten Prüfprodukts abhängt.

Um den Zusammenhang festzustellen, müssen abhängig von der Art des Produkts/Verfahren und des schwerwiegenden unerwünschten Ereignisses möglicherweise nicht alle oben aufgeführten Kriterien gleichzeitig erfüllt werden.

4. Ausblick

Das war nun Teil 4 unseres „Weihnachtsspezials“ und und gleichzeitig der Abschluss des aufgeteilten Blog-Beitrags zu Änderungen durch die MDR. Auch damit werden wir Sie wieder umfassend über die wichtigen Änderungen in Bezug auf klinische Prüfungen durch die MDR noch dieses Jahr informieren, damit Sie für 2021 gewappnet sind.

Wenn Sie dazu Fragen haben, melden Sie sich gerne. Es steht wie immer unsere kostenlose Erstberatung zur Verfügung. Jetzt verabschiedet sich medXteam aber zunächst in die Weihnachtspause und wünscht allen Lesern ruhige, besinnliche Weihnachtstage. Kommen Sie gesund ins neue Jahr!

Im Januar wird es dann mit dem Thema DiGA-Studien weitergehen.

5. Wie wir Ihnen helfen können

Ob überhaupt und wenn ja welche klinische Prüfung unter welchen Voraussetzungen und gemäß welchen Anforderungen durchgeführt werden muss, klären wir bei medXteam im Rahmen der Pre-Study Phase: In 3 Schritten ermitteln wir die richtige und kosteneffiziente Strategie in Bezug auf die in Ihrem Fall erforderliche klinische Datenerhebung.

Haben Sie jetzt schon erste Fragen?

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