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Im ersten Blog-Beitrag 2021 ging es bereits um das Thema „DiGA“ und die Datenerhebung. In diesem Beitrag möchten wir nun auf die Vorbereitungsaufgabe näher eingehen und deshalb geht es dieses Mal um das Evaluationskonzept. Dieses ist zusammen mit dem Prüfplan für die DiGA-Studie ebenfalls mit dem Antrag auf Aufnahme in das Erstattungsverzeichnis einzureichen. Was es damit auf sich hat, wie es am besten erstellt wird und was dabei alles zu beachten ist, erläutert dieser Blog-Beitrag.

Abkürzungen

BOB (Bundesoberbehörde)

BtB (Business-to-Business)

BtC (Business-to-Customer)

DiGA (digitale Gesundheitsanwendung)

MDR (medical device regulation; EU-Verordnung 2017/745)

Zugrundeliegende Regularien

Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG)
Digitale Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV)
DiGA-Leitfaden
EU-Verordnung 2017/745 (MDR)
ISO 14155

1. Einleitung

Um als DiGA in das Erstattungsverzeichnis (DiGA-Verzeichnis) aufgenommen zu werden, sind verschiedene Anforderungen zu erfüllen und das Prüfverfahren beim BfArM muss erfolgreich durchlaufen werden. Dazu gehören unter anderem, wenn noch keine Studie, die den DiGA-Kriterien entspricht, durchgeführt wurde, ein Evaluationskonzept und eine darauf aufbauende klinische Studie. Zur DiGA-Studie liefert der Januar-Blog-Beitrag wichtige Informationen.

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem Evaluationskonzept für den positiven Versorgungseffekt der DiGA. Der DiGA-Leitfaden geht darauf in Kapitel 4.5.2 näher ein:

Der Hersteller legt darüber hinaus mit dem Antrag ein nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Standards erstelltes Evaluationskonzept vor, das die Ergebnisse der systematischen Datenauswertung angemessen berücksichtigt. Das Studienprotokoll der angestrebten Studie soll ein Teil des Evaluationskonzepts sein. Die Wahl der Outcomes und des Studiendesigns des gewählten Vergleichs und der Versorgungsrealität sind zu begründen. Es ist darzustellen, warum und wie aus dem gewählten Evaluationskonzept die Nachweise der angestrebten pVE hervorgehen. Dieses muss von einem herstellerunabhängigen wissenschaftlichen Institut erstellt worden sein.“

„Das vorzulegende wissenschaftliche Evaluationskonzept soll gemäß § 15 DiGAV die Ergebnisse der systematischen Datenauswertung angemessen berücksichtigen.“

Auszug aus: Brönneke, Jan B. „DiGA VADEMECUM: Was man zu Digitalen Gesundheitsanwendungen wissen muss (German Edition).

Der Hersteller muss dieses somit nicht selbst erstellen, weil der Gesetzgeber die Erstellung im Leitfaden aber auch bereits im DVG durch ein wissenschaftliches unabhängiges Institut fordert. Dennoch trägt er einen wesentlichen Teil zur Erstellung bei, denn das Studienkonzept inklusive der zu belegenden Endpunkte für den positiven Versorgungseffekt bedürfen einer eingehenden Beschäftigung mit diesem Thema. Was das bedeutet, möchte nun dieser Beitrag näher erläutern. Gleichzeitig wird aufgezeigt, wie das Evaluationskonzept für eine sich bereits seit längerem auf dem Markt befindlichen DiGA (Software als Medizinprodukt) oder für eine sich z. B. gerade noch im Entwicklungsprozess befindlichen DiGA oder einer, die soeben noch unter der MDD zugelassen wurde, erstellt werden kann.

2. DiGA-Evaluationskonzept

In den DiGA-Regelwerken wird das Evaluationskonzept folgendermaßen definiert:

Soll ein Antrag auf Erprobung gestellt werden, muss diesem ein wissenschaftliches Evaluationskonzept beigefügt werden. Dieses muss von einer herstellerunabhängigen Institution zum Nachweis des positiven Versorgungseffekts nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Standards erstellt werden.“

(Quelle: DiGA-Leitfaden)

Dieses umfasst insbesondere die folgenden Angaben zum geplanten Studienvorhaben, um den positiven Versorgungseffekt der DiGA nachzuweisen:

  • die Angabe des Erprobungszeitraums (maximal 12 Monate)
  • systematische Datenauswertung mit der DiGA selbst
  • Beschreibung unter Nutzung des PICO-Schemas in der Kurzfassung des positiven Versorgungseffektes
  • Konkretisierung der Patientengruppe durch die Angabe der entsprechenden ICD-Codes
  • Art der positiven Versorgungseffekte der DiGA: medizinischer Nutzen und/oder patientenrelevante Verfahrens- und Strukturverbesserungen
  • Angaben zu Forschungsdesign und Ergebnissen
  • Angaben zur qualitätsgesicherten Anwendung der DiGA und zu Ausschlusskriterien
  • Angaben zum einbezogenen wissenschaftlichen und herstellerunabhängigen Institut

Wir gliedern unser Evaluationskonzept beispielsweise folgendermaßen:

Abb. 1: Inhalt und Struktur des Evaluationskonzeptes

Ein wesentlicher Bestandteil des wissenschaftlichen Evaluationskonzepts ist eine systematische Datenauswertung im Rahmen der Anwendung der DiGA. Deshalb muss diese Datenauswertung mit dem zugelassenen Medizinprodukt durchgeführt werden. Das ist kein Problem, wenn die DiGA bereits auf dem Markt ist und Daten bereits durch ihre Anwendung erhoben wurden. Bei sich noch in der Entwicklung befindenden oder gerade zugelassenen Produkten können somit allerdings noch keine Daten für eine entsprechende Auswertung vorliegen. Eine solche Erhebungsphase ist deshalb im Anschluss an die Zulassung mit einzuplanen, bevor ein Antrag auf vorläufige Aufnahme in das Verzeichnis gestellt werden kann.

Unabhängig davon muss der Hersteller sich Gedanken über den mit der DiGA zu beschreitenden geplanten Versorgungspfad machen, für den der positive Versorgungseffekt nachgewiesen werden soll. Im Rahmen der Datenerhebung für das Evaluationskonzept sollten diverse Endpunkte bereits feststehen, die in diesem Zusammenhang auf Validität überprüft werden können.

Ziel und Zweck der Datenauswertung sollte sein, die Endpunkte der DiGA-Studie zu definieren, anhand derer der positive Versorgungseffekt auf dem vorgesehenen Versorgungspfad nachgewiesen werden kann. Sinn macht deshalb eine Auswahlmöglichkeit aus den Bereichen

  • medizinischer Nutzen
  • patientenrelevante Verfahrens- und Strukturverbesserungen

Wie sollen diese Daten aber nun erhoben werden, um dann für das Evaluationskonzept ausgewertet werden zu können?

2.1 Bereits zugelassene DiGA

Viele der bereits gelisteten DiGAs sind zugelassene Medizinprodukte, die bereits auf dem Markt waren. Somit besteht die Möglichkeit, eine bereits durchgeführte Studie heranzuziehen, die den DiGA-Kriterien entspricht, um sofort endgültig in das Verzeichnis aufgenommen zu werden. In diesem Fall empfiehlt sich unbedingt eine Beratung beim BfArM. Nämlich insbesondere dann, wenn Unsicherheit dahingehend besteht, ob die damit erhobenen Daten ausreichend sind und deshalb unklar ist, ob sie in die richtige Richtung gehen und ob damit ein Antrag auf eine vorläufige oder eine endgültige Aufnahme gestellt werden sollte.

Wurde noch keine Studie durchgeführt, bietet sich in diesem Fall an, Daten, die im Rahmen der Anwendung mit der DiGA erhoben wurden und über die App beim Hersteller vorliegen, retrospektiv auszuwerten.

Hinweis: Dies ist problemlos möglich, wenn zwischen Hersteller und Anwender eine BtC-Beziehung besteht. Gibt es diese nicht, weil die DiGA beispielsweise nicht direkt vom Hersteller, sondern z. B. von Therapeuten zur Verfügung gestellt wird (mit dem zum Hersteller eine BtB-Beziehung besteht), liegen die Daten nicht beim Hersteller.

Hat der Hersteller also Zugriff auf die Daten, die mit der DiGA im Rahmen der Anwendung automatisch erhoben werden, können diese anonymisiert ausgewertet werden. Dies geschieht in diesem Fall über einen sogenannten Beobachtungsplan, die Erhebung bezieht sich auf „Real World Data“ und da sie völlig anonym sind, können Sie ohne Einbeziehung einer Ethik-Kommission oder Behörde entsprechend gesammelt werden. Im Beobachtungsplan werden die zu erhebenden Parameter definiert, die sich auf die o. g. Aspekte

  • medizinischer Nutzen
  • patientenrelevante Verfahrens- und Strukturverbesserungen

beziehen sollten. Zu Real World Data empfiehlt sich auch unser Märzbeitrag „Medizinprodukte und Real World Data sowie Real World Evidence“ (Link: https://www.medxteam.de/index.php/medxteam-blog/15-medizinprodukte-und-real-world-data-sowie-real-world-evidence).

2.2 Noch nicht oder gerade erst zugelassene DiGAs

Mit diesen Produkten können noch keine eigenen Daten erhoben worden sein. In der Regel wird in diesem Fall auch die klinische Bewertung über Leistungsdaten (s. auch Artikel 61 Abschnitt 1 der MDR) erstellt, da auf klinische Daten bei diesen Klasse I oder IIa Produkten im Rahmen der Erfüllung der grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen verzichtet werden kann.

Somit werden üblicherweise auch keine Zulassungsstudien durchgeführt. Leitlinien für State of the Art Kapitel in der klinischen Bewertung gibt es meist nur für die zugrundeliegenden Indikationen und alternative Anwendungsmöglichkeiten, da DiGAs eher innovativen Charakter haben und noch nicht umfassend in Leitlinien verankert sind.

Allerdings sind für die klinische Bewertung Claims zur klinischen Leistung, Sicherheit und zum klinischen Nutzen bereits im Plan für die klinische Bewertung zu definieren und dann im klinischen Bewertungsbericht mit Daten zu belegen.

Hinweis: Genau hier empfiehlt sich die Nutzung der Schnittstelle zum DiGA-Thema „medizinischer Nutzen“ bzw. patientenrelevante Struktur- und Verfahrensverbesserungen, denn diese Daten können dann nach der DiGA-Studie in der Aktualisierung der klinischen Bewertung genutzt werden.

Außerdem endet der DiGA-Prozess ja nicht mit der Listung im DiGA-Verzeichnis. Anschließend gehen die Verhandlungen mit den Krankenkassen los.

Hinweis: Deshalb am besten bei der Definition der Zweckbestimmung des Medizinprodukts sowie bei den Claims Schlagwörter aus dem medizinischen Nutzen oder zu patientenrelevanten Struktur- und Verfahrensverbesserungen, wenn möglich, einfließen lassen. Das erleichtert spätere Verhandlungen. Ebenfalls am besten nicht von „Software“ sondern von digitaler Gesundheitsanwendung sprechen.

Somit ist nach der Zulassung des Medizinprodukts die Datenerhebung für das Evaluationskonzept einzuplanen.

Auch hier empfiehlt sich eine Sammlung der mit der DiGA im Rahmen ihrer Anwendung beim Hersteller erhobenen Daten. Diese Erhebung ist nun aber nicht retrospektiv, sondern prospektiv in die Zukunft gerichtet.

Man kann aber auch nach einem definierten Anwendungszeitraum der DiGA die Daten retrospektiv auswerten.

Auch hier ist wichtig, dass die Daten

  • mit der DiGA selbst und
  • anonym

erhoben werden. Am besten funktioniert dies auch hier im BtC-Fall. Doch auch im BtB-Fall, wenn der Hersteller nicht direkt Zugriff auf die App-Daten hat, kann eine Beobachtungsstudie und Erhebung der Real World Daten erfolgen. Hier muss im Grunde nur die anonymisierte Bereitstellung im BtB-Verhältnis sichergestellt werden.

2.3 Zusammenfassung

Ein wesentlicher Aspekt des Evaluationskonzeptes sind Daten zum eingeschlagenen Versorgungspfad und dem dazu erforderlichen Nachweis des

  • medizinischen Nutzens
  • oder der patientenrelevanten Verfahrens- und Strukturverbesserungen.

Man definiert deshalb vorab Parameter, die nach der Datenerhebung entsprechend ausgewertet werden sollen. Diese sollten aus den folgenden Bereichen stammen:

Medizinischer Nutzen:

  • Verbesserung des Gesundheitszustands,
  • Verkürzung der Krankheitsdauer,
  • Verlängerung des Überlebens oder
  • Verbesserung der Lebensqualität

Patientenrelevante Struktur- und Verfahrensverbesserungen:

  • im Rahmen der Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten oder der Erkennung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen und
  • auf eine Unterstützung des Gesundheitshandelns der Patientinnen und Patienten oder eine Integration der Abläufe zwischen Patientinnen und Patienten und Leistungserbringern ausgerichtet und
  • umfassen insbesondere die Bereiche der
  1. Koordination der Behandlungsabläufe,
  2. Ausrichtung der Behandlung an Leitlinien und anerkannten Standards,
  3. Adhärenz,
  4. Erleichterung des Zugangs zur Versorgung,
  5. Patientensicherheit,
  6. Gesundheitskompetenz,
  7. Patientensouveränität,
  8. Bewältigung krankheitsbedingter Schwierigkeiten im Alltag oder
  9. Reduzierung der therapiebedingten Aufwände und Belastungen der Patienten und ihrer Angehörigen.

3. Was wir für Sie tun können

Wir fungieren als wissenschaftliche herstellerunabhängige Institution (CRO). Als solche erstellen wir Ihr Evaluationskonzept und beraten Sie auch schon in Ihrer frühen Entwicklungsphase schnittstellenkonform hinsichtlich Ihrer Claims zum Medizinprodukt oder Festlegung der Zweckbestimmung. All das geschieht mit den DiGA-Anforderungen im Visier, sodass Sie mit allem zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können.

Steht Ihre technische Dokumentation bereits, schauen wir uns mögliche DiGA-Endpunkte entweder basierend auf Ihrer Dokumentation oder basierend auf dem nachträglich mit der DiGA eingeschlagenen Versorgungspfad an und treffen eine sinnvolle Vorabauswahl, damit die Datenauswertung für Ihr Evaluationskonzept zielgerichtet ist und nicht ausufert. Schließlich wollen wir Klarheit und nicht im Trüben fischen.

4. Wie wir Ihnen helfen können

Ob überhaupt und wenn ja welche klinische Prüfung unter welchen Voraussetzungen und gemäß welchen Anforderungen durchgeführt werden muss, klären wir bei medXteam im Rahmen der Pre-Study Phase: In 3 Schritten ermitteln wir die richtige und kosteneffiziente Strategie in Bezug auf die in Ihrem Fall erforderliche klinische Datenerhebung. Das gilt auch für Ihr Evaluationskonzept und Ihre DiGA-Studie!

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Im Rahmen unseres Weihnachtsspezials hatten wir noch im Teil 2 über das Antragsverfahren und den Genehmigungsprozess für klinische Prüfungen mit CE-gekennzeichneten Produkten geschrieben und sind davon ausgegangen, dass dies sowie der Artikel 74 für sämtliche PMCF-Studien mit bereits in Verkehr gebrachten Medizinprodukten gilt. Die virtuelle Veranstaltung von BfArM zusammen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Arbeitskreis der Ethik-Kommissionen brachte im Rahmen einer virtuellen Veranstaltung nun Erleuchtung zu diesem Artikel, was die Regelung zumindest in Deutschland angeht.

Abkürzungen

BOB (Bundesoberbehörde)

EK (Ethikkommission)

KP (klinische Prüfung)

MDR (medical device regulation; EU-Verordnung 2017/745)

MPG (Medizinproduktegesetzt)

MPAnpG-EU (Medizinprodukteanpassungsgesetz)

MPDG (Medizinproduktedurchführungsgesetz)

BO (Berufsordnung der Ärzte)

Zugrundeliegende Regularien

EU-Verordnung 2017/745 (MDR)

MPEUAnpG (das Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz wurde am 25.05.2020 vom Bundestag als Gesetz verabschiedet. Dieses MPAnpG-EU beschreibt im Artikel 1 das Medizinprodukte-Durchführungsgesetz (MPDG))

MPDG (das MPDG wird das Medizinproduktegesetz (MPG) ab 26. Mai 2021 schrittweise ablösen und für alle Hersteller und Betreiber von Medizinprodukten in Deutschland rechtsverbindlich sein).

1. Einleitung

Seit 2017 ist die europäischen Medical Device Regulation (MDR) nun schon in Kraft und ihr Geltungsbeginn war bereits für den 26.05.2020 vorgesehen. Coronabedingt wurde dieser Geltungsbeginn sowie der des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes (MPDG) auf den 26. Mai 2021 verschoben. Damit ändern sich bekanntermaßen auch viele rechtliche Vorgaben und praktische Rahmenbedingungen für die Genehmigung und Durchführung klinischer Prüfungen von Medizinprodukten. Darüber informierte das BfArM am 05. Mai 2021 gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Arbeitskreis der Ethik-Kommissionen im Rahmen einer virtuellen Veranstaltung.

Davon ausgehend, dass der Artikel 74 der MDR:

„Klinische Prüfungen in Bezug auf Produkte, die die CE-Kennzeichnung tragen

  1. Wird eine klinische Prüfung durchgeführt, die der weitergehenden Bewertung eines Produkts, das bereits die CE-Kennzeichnung gemäß Artikel 20 Absatz 1 trägt, im Rahmen seiner Zweckbestimmung dient (im Folgenden „klinische Prüfung nach dem Inverkehrbringen“), und würden im Rahmen dieser Prüfung Prüfungsteilnehmer zusätzlichen Verfahren zu den bei normalen Verwendungsbedingungen des Produkts durchgeführten Verfahren unterzogen, und sind diese zusätzlichen Verfahren invasiv oder belastend, so unterrichtet der Sponsor die betreffenden Mitgliedstaaten mindestens 30 Tage vor Beginn der Prüfung über das in Artikel 73 genannte elektronische System. Der Sponsor übermittelt die Unterlagen gemäß Anhang XV Kapitel II als Teil der Mitteilung. Für klinische Prüfungen nach dem Inverkehrbringen C1 gelten Artikel 62 Absatz 4 Buchstaben b bis k und m, Artikel 75, 76 und 77 und Artikel 80 Absätze 5 und 6 sowie die einschlägigen Bestimmungen des Anhangs XV.
  2. Wird eine klinische Prüfung durchgeführt, die der Bewertung eines Produkts, das bereits die CE-Kennzeichnung gemäß Artikel 20 Absatz 1 trägt, außerhalb seiner Zweckbestimmung dient, so gelten die Artikel 62 bis 81.“

für alle Medizinprodukte gilt, die das CE-Zeichen tragen, ging die Mehrheit davon aus, dass ab dem 26.05.2021 ein Ethikvotum für PMCF-Studien erforderlich ist und es keine berufsrechtliche Beratung nach § 15 der Berufsordnung für Ärzte (BO) mehr gibt. Dies ist nun nicht der Fall.

2. Verschiedene Arten der PMCF-Studien

2.1 Definition PMCF-Studien

Eine eigentliche Definition der PMCF-Studien gibt es nicht. Weder bisher in Richtlinie, MPG oder in einer der Verordnungen oder MEDDEVs, noch in der MDR oder im MPDG. Die MDR spricht in Artikel 74 nur davon, dass eine solche klinische Prüfung „klinische Prüfung nach dem Inverkehrbringen“ genannt wird:

„Wird eine klinische Prüfung durchgeführt, die der weitergehenden Bewertung eines Produkts, das bereits die CE-Kennzeichnung gemäß Artikel 20 Absatz 1 trägt, im Rahmen seiner Zweckbestimmung dient (im Folgenden „klinische Prüfung nach dem Inverkehrbringen“) […].“

Eine PMCF-Studie ist also eine klinische Prüfung, die mit dem CE-gekennzeichneten Produkt durchgeführt wird und klinische Daten zum Produkt im Rahmen der klinischen Nachbeobachtung (Post-Market Clinical Follow-up, PMCF) liefert. Die klinische Nachbeobachtung wird in der MDR in Anhang XIV Teil B geregelt.

Die klinische Nachbeobachtung umfasst aber nicht nur PMCF-Studien, sondern noch weitere mögliche Aktivitäten, um klinische Daten zum Produkt zu erheben. Ein Beispiel sind Real-World-Data, die im letzten Blog-Beitrag beschrieben wurden. Oder aber auch Registerdaten und weitere Aktivitäten. Die folgende Abbildung liefert einen Überblick über diese sowie über die gesamte Marktüberwachung (Post-Market Surveillance) gemäß MDR nach Artikel 83 - 85:

Abbildung 1. Allgemeine Methoden und Verfahren PMS und PMCF (Quelle: Keene A. Leveraging Post-Market Surveillance and Post-Market Clinical Follow-Up Data to Support EU Medical Device Regulation (MDR) Compliance, Whitepaper)

2.2 PMCF-Studien im Rahmen der Zweckbestimmung und ohne belastende Untersuchungen

Bisherige Regelung:

Bisher wurden diese PMCF-Studien gemäß § 23b MPG reguliert:

„§ 23b Ausnahmen zur klinischen Prüfung

Die §§ 20 bis 23a sind nicht anzuwenden, wenn eine klinische Prüfung mit Medizinprodukten durchgeführt wird, die nach den §§ 6 und 10 die CE-Kennzeichnung tragen dürfen, es sei denn, diese Prüfung hat eine andere Zweckbestimmung des Medizinproduktes zum Inhalt oder es werden zusätzlich invasive oder andere belastende Untersuchungen durchgeführt.“

Eine solche Studie fiel bisher unter die sonstigen Studien und lief außerhalb des MPG. Auf der Seite der Ethikkommission der Bayerischen Landesärztekammer sieht das z. B. so aus:

Abbildung 2: Studienarten der EK an der BLÄK

In Baden-Württemberg wird für eine solche Studie ein „freier Antrag“ gestellt:

Abbildung 3: Freier Antrag für eine solche Studie an der LÄK BW

Für PMCF-Studien innerhalb der Zweckbestimmung des Medizinprodukts war also eine berufsrechtliche Beratung nach § 15 der Berufsordnung für Ärzte erforderlich. Hierzu wurde bisher ein Antrag direkt an die Ethikkommission gerichtet. Manche Ethikkommissionen forderten hierzu x-fache Papierausfertigungen und eine Ausfertigung als CD-ROM. Andere wiederum (z. B. Hessen, Bayern) verfügen über ein Portal, über das die Anträge elektronisch hochgeladen werden können. Dann ist nur noch eine einfache Papierausfertigung erforderlich.

Für diese Studien muss neben bestimmten Studiendokumenten (Prüfplan, Patienteninformation und Einwilligungserklärung, Fragebögen, etc.) der Lebenslauf des Prüfers eingereicht werden. Eine Qualifikation, nachgewiesen über eine mindestens zweijährige Erfahrung des Prüfers mit klinischen Prüfungen mit Medizinprodukten, wie bei einem Ethikvotum erforderlich, wird hier nicht überprüft.

Regelung ab Geltungsbeginn der MDR

Bisher war unsere Annahme und Interpretation des Artikels 74 der MDR; dass hierunter alle PMCF-Studien fallen und somit dann ab 26.05.2021 ein Ethikvotum erforderlich sein würde.

Bei der o. g. Veranstaltung wurde nun der Artikel 74 für Deutschland folgendermaßen interpretiert:

  • Er gilt nur für klinische Prüfungen mit CE-gekennzeichneten Produkten, die außerhalb ihrer Zweckbestimmung durchgeführt werden.
  • Er gilt außerdem für klinische Prüfungen mit CE-gekennzeichneten Produkten, wenn in deren Rahmen zusätzliche belastende Untersuchungen durchgeführt werden.

Das bedeutet, dass es weiterhin das oben beschriebene Verfahren über sonstige Studien und freie Anträge (berufsrechtliche Beratung nach § 15 BO) gibt!

Abbildung 4: Artikel 74 der MDR (Quelle: Präsentationsfolien, BfArM-Veranstaltung, https://www.bfarm.de/DE/Service/Veranstaltungen/Dialogveranstaltungen/2021/210505-klinische_Pruefungen_von_MP.html)

Der Artikel 74 der MDR gliedert somit die PMCF-Studien innerhalb der Zweckbestimmung aus und betrachtet diese weiterhin wie schon im MPG als Ausnahme zu den klinischen Prüfungen.

Somit ändert sich hier bis auf Bezeichnungen im Prüfplan zu MPG und ggf. Richtlinie 92/43/EWG (Änderung in MDR, da nicht mehr gültig) nichts. Das Verfahren bleibt dasselbe und die Hersteller haben weiterhin die Möglichkeit, auf unkomplizierterem Weg ihre klinischen Daten im Rahmen der PMCF-Studie zu erheben.

2.3 PMCF-Studien mit belastenden Untersuchungen

Bisherige Regelung:

Bisher wurden diese PMCF-Studien ebenfalls gemäß § 23b MPG reguliert:

„§ 23b Ausnahmen zur klinischen Prüfung

Die §§ 20 bis 23a sind nicht anzuwenden, wenn eine klinische Prüfung mit Medizinprodukten durchgeführt wird, die nach den §§ 6 und 10 die CE-Kennzeichnung tragen dürfen, es sei denn, diese Prüfung hat eine andere Zweckbestimmung des Medizinproduktes zum Inhalt oder es werden zusätzlich invasive oder andere belastende Untersuchungen durchgeführt.“

Im Falle zusätzlicher belastender Untersuchungen fanden bisher dann bei einer solchen Studie zunächst wieder die § 20ff des MPG und in diesem Fall in Verbindung mit § 7 der MPKPV mit Abschnitt 1 Satz 3 Anwendung:

„Medizinprodukte, die nach den §§ 6 und 10 des Medizinproduktegesetzes die CE-Kennzeichnung tragen dürfen und deren klinische Prüfung zusätzliche invasive oder andere belastende Untersuchungen beinhaltet, es sei denn, diese Prüfung hat eine andere Zweckbestimmung des Medizinproduktes zum Inhalt.“

In diesem Fall war über das Medizinprodukteinformationssystem (MPI, ehemals DIMDI) ein Antrag bei BfArM auf Befreiung von der Genehmigungspflicht und bei der Ethikkommission ebenfalls über das MPI ein Antrag auf Stellungnahme (Votum) zu stellen.

Regelung ab Geltungsbeginn der MDR

Mit dem Geltungsbeginn der MDR wird dieses Verfahren durch das neue, im Artikel 74 der MDR geregelte, abgelöst:

  • Der Sponsor unterrichtet die Bundesoberbehörde (BOB, in Deutschland: BfArM) mindestens 30 Tage vor Beginn der Prüfung über das MPI (in Deutschland).
  • Es gelten Artikel 62 Absatz 4 Buchstaben b bis k und m, Artikel 75, 76 und 77 und Artikel 80 Absätze 5 und 6
  • Es gelten außerdem die einschlägigen Bestimmungen des Anhangs XV

Das bedeutet, dass die BOB zu informieren und bei der Ethikkommission gemäß Artikel 62 Absatz 4 Buchstabe b ein Ethikvotum einzuholen ist.

Außerdem gelten im MPDG das Kapitel 4 mit den Abschnitten 1 und 2 und im letzteren mit Unterabschnitt 1 im Hinblick auf die Beantragung, Genehmigung und jeweiligen Fristen. Siehe hierzu auch der Blogbeitrag im Weihnachtsspezial Teil 2.

2.4 PMCF-Studien außerhalb der Zweckbestimmung

Bisherige Regelung:

Bisher wurden diese PMCF-Studien ebenfalls gemäß § 23b MPG reguliert:

„§ 23b Ausnahmen zur klinischen Prüfung

Die §§ 20 bis 23a sind nicht anzuwenden, wenn eine klinische Prüfung mit Medizinprodukten durchgeführt wird, die nach den §§ 6 und 10 die CE-Kennzeichnung tragen dürfen, es sei denn, diese Prüfung hat eine andere Zweckbestimmung des Medizinproduktes zum Inhalt oder es werden zusätzlich invasive oder andere belastende Untersuchungen durchgeführt.“

Bezog sich bisher die klinische Prüfung mit dem CE-gekennzeichneten Produkt auf eine neue Zweckbestimmung (z. B. somit auch auf neue Indikationen), so fanden bisher dann bei einer solchen Studie ebenfalls wieder die § 20ff des MPG Anwendung. Das heißt, es wurde eine klassische Zulassungsstudie gemäß den §§ 20ff des MPG durchgeführt:

  • Antragsstellung über das MPI bei BfArM und EK

Regelung ab Geltungsbeginn der MDR

Mit dem Geltungsbeginn der MDR findet nun Artikel 74 Satz 2 Anwendung:

„(2) Wird eine klinische Prüfung durchgeführt, die der Bewertung eines Produkts, das bereits die CE-Kennzeichnung gemäß Artikel 20 Absatz 1 trägt, außerhalb seiner Zweckbestimmung dient, so gelten die Artikel 62 bis 81.“

Das bedeutet, es ist auch in diesem Fall eine klassische klinische Prüfung gemäß Artikel 62ff der MDR durchzuführen.

Außerdem gelten im MPDG das Kapitel 4 mit den Abschnitten 1 und 2 und im letzteren mit Unterabschnitt 1 im Hinblick auf die Beantragung, Genehmigung und jeweiligen Fristen. Siehe hierzu auch der Blogbeitrag im Weihnachtsspezial Teil 1:

Antrag auf Genehmigung einer klinischen Prüfung gemäß Artikel 70 Abs. 7 der MDR:

Verkürztes Verfahren Absatz 7a

Für Medizinprodukte ohne CE-Kennzeichnung und für CE-gekennzeichnete Produkte, wenn die klinische Prüfung außerhalb der Zweckbestimmung erfolgt (Klasse I und IIa nicht invasiv)

Der Antrag muss die Dokumente aus Anhang XV Kapitel II der MDR sowie die positive Stellungnahme der EK enthalten.

Volles Antragsverfahren Absatz 7b

Für Medizinprodukte ohne CE-Kennzeichnung und für CE-gekennzeichnete Produkte, wenn die klinische Prüfung außerhalb der Zweckbestimmung erfolgt (Klasse IIa invasiv, IIb* und III)

Der Antrag muss die Dokumente aus Anhang XV Kapitel II der MDR sowie die positive Stellungnahme der EK enthalten.

* Ausnahme in Deutschland, normalerweise gilt das verkürzte Verfahren auch für Produkte der Klasse IIb, nur in Deutschland gilt hier das volle Antragsverfahren.

3. Was wir für Sie tun können

Wir unterstützen zunächst dabei, für Sie die richtige Datenerhebungsmethode im Rahmen des PMCF zu finden. Soll eine PMCF-Studie durchgeführt werden, finden wir mit Ihnen den richtigen Weg der Umsetzung.

4. Wie wir Ihnen helfen können

Ob überhaupt und wenn ja welche klinische Prüfung unter welchen Voraussetzungen und gemäß welchen Anforderungen durchgeführt werden muss, klären wir bei medXteam im Rahmen der Pre-Study Phase: In 3 Schritten ermitteln wir die richtige und kosteneffiziente Strategie in Bezug auf die in Ihrem Fall erforderliche klinische Datenerhebung.

Haben Sie jetzt schon erste Fragen?

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Das Thema „Real World Data“ und „Real World Evidence“ nimmt gerade durch digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) nun auch für Medizinprodukte Fahrt auf. Um was handelt es sich dabei? Und inwieweit lässt sich dieses Thema auf die Datenerhebung für Medizinprodukte übertragen? Wann macht es Sinn?

Zugrundeliegende Regularien

Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG)
Digitale Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV)
DiGA-Leitfaden
EU-Verordnung 2017/745 (MDR)
ISO 14155

1. Was sind Real World Data (RWD) und Real World Evidence (RWE)?

Real World Data beziehen sich auf Daten über die Verwendung oder die potenziellen Vorteile oder Risiken eines Arzneimittels, das aus anderen Quellen als aus traditionellen klinischen Studien stammt.“ Diese Definition stammt von Jacqueline Corrigan-Curay, J.D., M.D., Direktorin des Office of Medical Policy-Centers der FDA. Er zeigt, dass dieses Thema bereits Einzug in die Arzneimittelbranche gehalten hat und insbesondere in den USA bereits Anwendung findet.

Was sind nun „Real World Data“? Damit bezeichnet man Datenerhebungen, die sich auf den tatsächlichen klinischen Routinealltag beziehen. Der Nachweis, der über diese Daten aus dem klinischen Routinealltag erbracht wird, wird als „Real World Evidence“ bezeichnet.

2. Real World Data – Erhebung und Nutzung

2.1 Real World Data bei Arzneimitteln

Real World Data werden in der Regel im Rahmen von Beobachtungsstudien erhoben. Diese sind für Arzneimittel reguliert. BfArM hat hierzu beispielsweise im Dezember 2019 folgende

„Gemeinsame Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und des Paul-EhrlichInstituts zu Anwendungsbeobachtungen nach § 67 Absatz 6 Arzneimittelgesetz und zur Anzeige von nichtinterventionellen  Unbedenklichkeitsprüfungen nach § 63f Arzneimittelgesetz“

veröffentlicht.

Solche Regulierungen gibt es bisher für Medizinprodukte nicht.

2.2 Daten aus dem klinischen Routinealltag bei Medizinprodukten

Bei DiGAs wird vor der DiGA-Studie oder dem Antrag auf Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis ein Evaluationskonzept gefordert. Dieses soll eine „systematische Datenauswertung neben einer systematischen Literaturrecherche und -bewertung auch den Einschluss eigener systematisch ausgewerteter Daten, die in der Anwendung der DiGA gewonnen wurden,“ umfassen.

Somit sind dies Daten aus dem klinischen Routinealltag der Anwendung der DiGA.

Auch Roche Diabetes nimmt zu diesem Thema Stellung:

Evaluierung des Nutzens digitaler Gesundheitsanwendungen über Real-World-Daten: Bei der Evaluierung des Nutzens digitaler Gesundheitsanwendungen sollte berücksichtigt werden, dass sich im Bereich der pharmakologischen Zulassungsverfahren zunehmend die Perspektive durchsetzt, dass randomisierte, kontrollierte Studien ein unvollständiges Abbild der Versorgungsrealität darstellen. Randomisierte, kontrollierte Studien sind dazu geeignet, valide Kausalitäten zwischen einer Intervention und ihrem Effekt herzustellen. Real-World-Daten (RWD) werden als potenzielle Quellen gesehen, um Einblicke darüber zu erhalten, wie zertifizierte Medizinprodukte und zugelassene Medikamente die Outcomes von Patienten in der realen Versorgung beeinflussen. Die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) diskutiert deshalb intensiv, wie RWD zukünftig bei der Lösung komplexer Fragestellungen integriert werden können...“

(Quelle: Roche Diabetes Politikportal, Zugriff am 30.03.2021)

Die fortschreitende Digitalisierung des Gesundheitswesens und eine daraus resultierende ansteigende Verfügbarkeit von digitalen Datensätzen bilden die Grundlage für einen zukünftig intensiveren Einsatz von RWD und RWE. Diese Entwicklungen eröffnen potentielle Chancen für neue Player im System: Plattformen für einen Datenaustausch zwischen Leistungserbringern und Institutionen werden notwendig, um RWE Daten zu generieren und zu verarbeiten (Meinert et al., 2018).

Aber nicht nur das DVG fordert solche Daten, auch die MDR mit der klinischen Nachbeobachtung (Post-Market Clinical Follow-up, PMCF). Diese soll nämlich kontinuierlich klinische Daten zum Medizinprodukt erheben, und zwar mit dem primären Ziel zu prüfen, ob die Anwendung in der Normal- oder Routineversorgung für eine bestimmte Patienten oder Anwender wirksam ist. Diesen Daten müssen deshalb den Routinealltag und die Routineversorgung gut widerspiegeln.

In Anhang IXV der MDR heißt es in Satz 1 von Teil B:
Die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen ist als ein fortlaufender Prozess zur Aktualisierung der klinischen Bewertung gemäß Artikel 61 und Teil A dieses Anhangs zu verstehen und wird im Plan des Herstellers zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen behandelt. Bei der klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen sammelt und bewertet der Hersteller auf proaktive Weise klinische Daten, die aus der Verwendung eines die CE-Kennzeichnung tragenden, im Rahmen seiner Zweckbestimmung gemäß dem einschlägigen Konformitätsbewertungsverfahren in den Verkehr gebrachten oder in Betrieb genommenen Produkts im oder am menschlichen Körper hervorgehen, um die Sicherheit und die Leistung während der erwarteten Lebensdauer des Produkts zu bestätigen, die fortwährende Vertretbarkeit der ermittelten Risiken zu gewährleisten und auf der Grundlage sachdienlicher Belege neu entstehende Risiken zu erkennen.“

Da im klinischen Routinealltag die Bedingungen meist andere als bei einer randomisierten, kontrollierten klinischen Prüfung sind, die in einem festgelegten Rahmen stattfindet, eignen sich randomisierte, kontrollierte klinische Prüfungen (randomized controlled trial, RCT) nur bedingt als PMCF-Studie. Deren Ergebnisse lassen nur limitiert auf die eigentliche Routineanwendung übertragen. Außerdem können so auch nicht unbedingt neue Risiken und Chancen sowie ein Off-Label Use ermittelt werden.

2.3 Regulierung bei Medizinprodukten?

Wie lassen sich solche Studien aber nun regulatorisch in Bezug auf Medizinprodukte einordnen? Hier sollte zunächst ein Exkurs in die evidenzbasierte Medizin gemacht werden.

 

Abbildung 1: Evidenzhierarchie nach evidenzbasierter Medizin (EbM), Quelle: DiGA Vademecum)

Zunächst wird dabei zwischen interventionellen und nicht-interventionellen Studien, sogenannten Beobachtungsstudien, unterschieden. Wird bei interventionellen Studien die Anwendung des Medizinproduktes bei einer bestimmten Population geplant und durchgeführt und sind alle Bedingungen dazu festgelegt, spricht man von einer interventionellen Studie. Ergebnisse sind hier immer auf die Intervention zurückzuführen. Interventionelle Studien sind somit oft vergleichend und stets prospektiv. Zu den Interventionsstudien gehört die viel­zitierte, vielgeforderte und wohl vielgefürchtete randomisierte kontrollierte Studie (Randomized Controlled Trial - RCT), der „Goldstandard" in der evidenzbasierten Medizin.

In Beobachtungsstudien wird keine geplante Intervention durchgeführt, sie werden daher auch nicht-interventionelle Studien genannt. Hier wird die Anwendung und der weitere Verlauf beim Patienten beobachtet und es werden entsprechende Schlussfolgerungen gezogen.

Bei Beobachtungsstudien wird also grundsätzlich keine Intervention gemäß klinischem Prüfplan durchgeführt, die Behandlung erfolgt ausschließlich nach der therapeutischen Praxis. Auch Beobachtungsstudien können sowohl vergleichend als auch nicht vergleichend durchgeführt werden; zudem können sie auch auf retrospektiven Daten basieren. Zu den bekanntesten nicht interventionellen Typen mit Kontrollgruppe gehören die Kohortenstudie und die Fall-Kontroll-Studie. Aber auch Register erheben Daten aus dem klinischen Routinealltag und werden anschließend retrospektiv ausgewertet.

Da die Ergebnisse von Beobachtungsstudien durch eine ganze Reihe von Verzerrungen (Bias) und Störfaktoren (Confounder) beeinflusst werden können, ist ihre interne Validität geringer als diejenige von Interventionsstudien. Ihre Evidenz ist jedenfalls in Bezug auf die Beantwortung der Frage nach dem klinischen Effekt einer konkreten Intervention grundsätzlich geringer als bei einer Interventionsstudie, da diese gerade die interne Validität bewertet. (Amboss, 2020)

Durch Beobachtung lassen sich Korrelationen feststellen; ein kausaler Zusammenhang ist damit jedoch nicht nachweisbar. Beobachtungsstudien sind im Vergleich zu Interventionsstudien in der Regel allerdings schneller und kostengünstiger durchführbar und verfügen im Vergleich zu Interventionsstudien über eine höhere externe Validität. Ohne den festgelegten Rahmen für die zu evaluierende Anwendung hat die Beobachtungsstudie zwar eine geringere interne Validität (und damit geringere Aussagekraft bzgl. der Wirksamkeit (Efficacy)), kann somit aber aber einen besseren Einblick in die Wirksamkeit im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten des klinischen Routinealltags geben.

Bei diesen so erhobenen Daten handelt es sich um „Echtweltdaten" (Real World Data – RWD). Die daraus gewonnene Evidenz wird entsprechend als „Real World Evidence" (RWE) genannt.

Regulatorisch gesehen lässt sich das Medizinprodukt nur im klinischen Routinealltag anwenden, wenn es mit einem CE-Zeichen versehen ist.  Der Beobachtungsstudie liegt kein klinischer Prüfplan zugrunde, sondern ein Beobachtungsplan. Somit trifft Artikel 74 der MDR nicht zu (§ 74 ist die Basis für klinische Prüfungen nach dem Inverkehrbringen, für die dennoch die in Anhang XV Kapitel II geforderten Dokumente erstellt werden müssen, z. B. der Prüfplan).

Bisher waren Beobachtungsstudien über § 23b MPG (Ausnahmen zur klinischen Prüfung) und der berufsrechtlichen Beratung nach § 15 der Berufsordnung für Ärzte (BO) reguliert. Dieser Paragraph fällt mit der MDR nun weg. Die MDR verweist in §82 (2) auf die Option der Mitgliedsstaaten, sonstige klinische Prüfungen auf lokaler Ebene zu regeln. Das deutsche Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz – MPEUAnpG tut das, in dem es „sonstige klinische Prüfungen, die bereits das CE-Zeichen tragen in § 47 definiert.  Dort ist auch klar formuliert, dass weder eine Anzeige bei der Bundesbehörde noch ein zustimmendes Votum der Ethikkommission von Nöten ist, wenn die Beobachtungsstudie die beiden folgenden Kriterien erfüllt:

  • die Teilnehmer werden keinen zusätzlichen (zur therapeutischen Routinebehandlung) Belastungen/Therapien ausgesetzt
  • das Medizinprodukt wird im Rahmen seiner Zweckbestimmung verwendet.

Was bleibt ist somit eine berufsrechtliche Beratung nach § 15 BO des Arztes, der die Beobachtungsstudie mit dem CE-gekennzeichneten Produkt gemäß Beobachtungsplan durchführt.

3. Was wir für Sie tun können

Da eine solche Datenerhebung von RWD ab dem 26. Mai 2021 nicht mehr reguliert ist und nicht unter das Dach der MDR fällt, bietet sie eine weitere Möglichkeit der Datenerhebung, um wiederum den P(ost) M(arket) C(linical) F(ollow-up)-Anforderungen der MDR gerecht zu werden.

Wir unterstützen Hersteller nicht nur beim Finden der richtigen Erhebungsmethode, sondern können auch in allen Punkten der Durchführung einer RWD-Beobachtungsstudie zur Seite stehen.

4. Wie wir Ihnen helfen können

Ob überhaupt und wenn ja welche klinische Prüfung unter welchen Voraussetzungen und gemäß welchen Anforderungen durchgeführt werden muss, klären wir bei medXteam im Rahmen der Pre-Study Phase: In 3 Schritten ermitteln wir die richtige und kosteneffiziente Strategie in Bezug auf die in Ihrem Fall erforderliche klinische Datenerhebung.

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Literaturquellen

Amboss (2020) Studientypen der medizinischen Forschung. URL: https://www.amboss.com/de/wissen/ Studientypen der medizinischen Forschung (Zugriff am 30.03.2021)

Meinert E, Alturkistani A, Brindley D, Knight P, Wells G, Pennington N. The technological imperative for value-based health care. British Journal of Hospital Medicine. 2018;79(6):328-32

Keywords: Fallzahlplanung, klinische Studie, klinische Prüfung

Nebenkeywords: Stichprobenumfang, Fallzahlberechnung

1. Einleitung

In der Planung für eine klinischer Prüfung spielt die Fallzahlplanung eine wichtige Rolle. Hier wird festgelegt, wie viele Probanden eingeschlossen werden müssen, um einen relevanten Effekt nachzuweisen – und damit letztendlich das Gelingen oder Scheitern einer Studie. Welche Überlegungen spielen dabei eine Rolle?

Für den Nachweis der Wirksamkeit jeder klinischen Prüfung, z. B. PMCF oder bei Zulassungsstudien werden Hypothesen anhand eines primären Endpunktes überprüft. Eine nachzuweisende Hypothese (Alternativhypothese genannt) kann z. B. die Überlegenheit eines Produktes gegenüber einer Standardtherapie sein. Die Bestätigung oder Verwerfung einer Hypothese wird anhand erhobener Daten beurteilt und auf die Ergebnisse dann auf die Grundgesamtheit, also auf die gesamte Zielgruppe übertragen. Damit dies aussagekräftig ist, müssen genügend viele Daten von Beobachtungen aus der Zielgruppe vorliegen. Liegen zu wenige Beobachtungen vor, können tatsächlich vorhandene Behandlungseffekte nicht nachgewiesen werden, die Studie scheitert. Auf der anderen Seite führt ein großer Stichprobenumfang zu hohen Kosten, ist ethisch nur schwer begründbar, bindet Ressourcen und verlängert die Studiendauer.

Mit der Fallzahlplanung wird die minimale Anzahl einzuschließender Patienten oder Probanden bestimmt, um einen tatsächlich vorhandenen Effekt nachzuweisen. Hierfür ist eine Reihe von Vorüberlegungen maßgeblich.

2. Gründe für eine Fallzahlplanung

Mit jeder konfirmatorischen klinischen Prüfung wird das Ziel verfolgt, eine Hypothese statistisch nachzuweisen. Ist der Stichprobenumfang zu gering, so kann ein tatsächlich zwischen zwei Behandlungsgruppen vorhandener Unterschied nicht nachgewiesen werden. Es resultiert ein nicht signifikanter statistische Test, obwohl tatsächlich Effekte vorhanden sind.

Andererseits ist die Datenerhebung verbunden mit einem hohen Zeitaufwand, personellen Ressourcen werden gebunden und für jeden zusätzlich eingeschlossenen Patienten entstehen Kosten. Werden zu viele Patienten rekrutiert führt dies außerdem dazu, dass selbst kleine, medizinisch irrelevante Effekte nachgewiesen werden.

Eine Fallzahlplanung für eine klinische Prüfung stellt somit sicher, dass

  1. Ein in der Zielgruppe vorhandener Effekt mit dem statistischen Test erkannt wird, der Test also ein signifikantes Ergebnis liefert
  2. Falls der statistische Test kein signifikantes Ergebnis zeigt stellt ein ausreichender Stichprobenumfang sicher, dass mit genügend hoher Sicherheit auch kein Effekt in der Zielgruppe (Grundgesamtheit) vorliegt.

Die Notwendigkeit einer Fallzahlplanung in der Planungsphase klinischer Prüfungen ist zudem gesetzlich vorgeschrieben und wird durch die Ethikkommission überprüft. Die Berechnung des Stichprobenumfangs ist ein essentieller Teil des klinischen Prüfplans sowie des statistischen Analyseplans.

Für prospektive Studiendesigns ist eine Fallzahlplanung vor Beginn der Studi unumgänglich, aber auch in Pilotstudien oder retrospektiven Studien sollte vorab überlegt werden, wie hoch die Fallzahl mindestens sein muss.

Aspekte der Fallzahlplanung

Mediziner, Prüfarzt, Statistiker und CRO arbeiten bei der Fallzahlplanung eng zusammen. Ausgangspunkt ist dabei immer der primäre Endpunkt sowie die zu überprüfende Hypothese der klinischen Studie.

3. Auswahl statistischer Test

Für die Auswahl des geeigneten statistischen Tests ist einerseits die Art der Fragestellung wesentlich. Je nachdem, ob Überlegenheit oder Äquivalenz einer Behandlung nachgewiesen werden soll, sind andere Testverfahren erforderlich. Auch das Skalenniveau der primären Zielvariable spielt eine entscheidende Rolle. Für nominale Merkmale (ja/nein, Erfolg/kein Erfolg) werden andere Verfahren eingesetzt als für ordinale (z. B. Likert-Skala) oder stetige Merkmale (z. B. visuelle Analogskala (VAS), Summenscores, etc.).

3.1 Effektgröße

Mit der Effektgröße wird der nachzuweisende, relevante Unterschied angegeben. Je nach verwendetem Testverfahren werden verschiedene Maße verwendet. Als bekannteste Effektgröße gilt bei stetigen Variablen Cohens d, das den Unterschied zweier unabhängiger Gruppen in Relation zur gemeinsamen Streuung angibt.

Für kategoriale Endpunkte wird die Effektgröße W verwendet, die sich als Wurzel der quadrierten relativen Differenz der Proportionen ergibt.

Nach Cohen (1988) gelten dabei grob folgende Faustregeln:

Effektstärke ≈ 0,2: kleiner Effekt

Effektstärke ≈ 0,5: mittlerer Effekt

Effektstärke ≈ 0,8: großer Effekt

Für die Festlegung der Effektgröße werden möglichst präzise Vorinformationen aus der Literatur bzw. eigenen Pilotstudien benötigt. Ebenso fließt der medizinisch und praktisch relevante, nachzuweisende Unterschied ein. Eine mittlere Blutdrucksenkung von wenigen mmHg, also eine sehr kleine Effektstärke kann zwar mit genügend hohem Stichprobenumfang statistisch nachgewiesen werden, ist aber praktisch für Patient und Mediziner irrelevant.

3.2 Signifikanzniveau des statistischen Tests

Das Signifikanzniveau a muss vorab festgelegt werden und im Studienprotokoll und im Statistischen Analyseplan (SAP) niedergeschrieben werden. Das Signifikanzniveau gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der man ein statistisch signifikantes Testergebnis erhält, sofern tatsächlich in der Zielgruppe kein Effekt vorhanden ist. Weiter wird unterschieden, ob der Test ein- oder zweiseitig durchgeführt wird. Einseitige Test überprüfen Überlegenheitshypothesen. Üblich sind zweiseitige Fragestellungen, die hinsichtlich eines Unterschieds zweier Therapien einen Vergleich durchführen. Als Signifikanzniveau hat sich der Wert a = 5% etabliert, bei einseitiger Fragestellung wird oft a = 2,5% verwendet.

3.3 Power oder Macht

In der Planungsphase wird auch die Power oder Macht der Studie festgelegt. Dabei versteht man die Wahrscheinlichkeit, dass ein statistischer Test, den tatsächlich vorhandenen Unterschied nachweist, also einen signifikanten p-Wert liefert. Die Macht einer Studie sollte also möglichst hoch sein. Hier sind Werte zwischen 80% und 90% üblich. Je höher die Power einer Studie, desto höher ist die resultierende Fallzahl.

4. Beispiel aus unserer NOVUSTAT Beratungspraxis

Im Rahmen einer klinischen Prüfung soll die Verbesserung der Lebensqualität, gemessen am Score der Skala „Körperliche Funktionsfähigkeit“ des SF-36 Fragebogen nach einer 3-monatigen Therapie, nachgewiesen werden. Der Wertebereich der Skala umfasst 0 bis 100 Punkte. Das Messinstrument ist gut dokumentiert, validiert und es existieren zahlreiche Publikationen mit diesem Messinstrument. Aus der Normwerttabelle des Bundes-Gesundheitssurveys[1]kann man ablesen, dass gesunde Menschen in dem Altersbereich 40-70 Jahre einen mittleren Score von 80-90 mit einer Standardabweichung von etwa 20 Scorepunkten zeigen. Für die Studienpopulation wird diese körperliche Funktionsfähigkeit bei Einschluss (vor Therapie) bei 50 Scorepunkten liegen (Standardabweichung 25 Scorepunkte), wie Ergebnisse einer Pilotstudie gezeigt haben. Nach dreimonatiger Therapie möchte man eine Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit um 30 Scorepunkte erreichen, so dass die mittlere Funktionsfähigkeit nach Therapie gesunden gleichaltrigen Personen entspricht. Für die Korrelation zwischen der ersten Messung vor Therapie und der zweiten Messung nach 3-monatiger Therapie wird ein geringer Wert von 0,2 erwartet (und mit den Daten der Pilotstudie bestätigt), aufgrund des zeitlichen Abstands.

Gibt man diese Werte in G*Power ein, einer Software zur Berechnung des Stichprobenumfangs, so erhält man folgendes Ergebnis:

Abb. 1 Berechnung der Effektgröße

Anhand der Angabe und Vorinformationen erhält man eine Effektgröße von 0,949, also etwa 1. Diese Information wir nun benötigt, um den minimal erforderlichen Stichprobenumfang zu berechnen, um einen Effekt von d = 0,949 nachzuweisen.

Für den Nachweis kann bei einem normalverteilten Merkmal ein zweiseitiger t-Test für verbundene Stichproben verwendet werden. Mit einem 5% Signifikanzniveau und einer Power von 90% werden für den Nachweis mindestens 14 Beobachtungen benötigt (S. Abbildung 2).

Abb. 2 Fallzahlberechnung für einen zweiseitigen T-Test mit verbundenen Stichproben.

Unter Berücksichtigung einer Drop-Out Rate von 10 % müssen mindestens 1,1*14 = 15,4, also 16 Patienten rekrutiert werden.

Im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse wird im weiteren Verlauf überprüft, wie sensibel die Fallzahl auf Abweichungen der Annahmen reagiert. Dazu kann einerseits die Effektgröße innerhalb sinnvoller Grenzen variiert werden, andererseits kann auch die Stichprobengröße mit einer nichtparametrischen Alternative durchgeführt werden. Eine Verringerung der Power bewirkt eine Verringerung der benötigten Fallzahl.

Eine graphische Sensitivitätsanalyse ist in Abbildung 3 zu sehen.

Abb. 3 Sensitivitätsanalyse: Fallzahl in Abhängigkeit von der Effektgröße und der Power der Studie

5. Quellen/Literatur

  • Fallzahlplanung in klinischen Prüfungn
  • Chow S, Shao J, Wang H. 2008. Sample Size Calculations in Clinical Research. 2nd Ed. Chapman & Hall/CRC Biostatistics Series.
  • Bock J., Bestimmung des Stichprobenumfangs für biologische Experimente und kontrollierte klinische Studien. Oldenbourg 1998

6. Was wir für Sie tun können

Vor dem Start einer klinischen Prüfung ist die Fallzahlplanung ein wichtiger Bestandteil der Vorbereitung. Mit der Fallzahlberechnung wird sichergestellt, dass der tatsächlich vorhandene Effekt auch nachgewiesen werden kann. Durch eine professionelle Fallzahlplanung wird darauf geachtet, dass der Stichprobenumfang so gering wie möglich bleibt. Die Fallzahlplanung erfolgt zugeschnitten auf die jeweilige Prüfung unter Berücksichtigung des Studiendesigns, der primären Zielvariable, der nachzuweisenden Hypothese und der erforderlichen Sicherheit. 

Deshalb umfasst unsere Studienplanung grundsätzlich und eigentlich immer mit als ersten Schritt die Fallzahlplanung. Auf dieser baut das gesamte Studienkonzept auf. Und somit kann die weitere Planung (z. B. Wie viele Prüfzentren werden benötigt? Wie lange brauche ich für die Rekrutierung? usw.) darauf aufbauen.

Wir bedanken uns an dieser Stelle bei unserem Partner Novustat für den Gastbeitrag, da wir finden, dass gerade dieses Thema oft unterschätzt wird.

Über den Autor: "Dr. Robert Grünwald ist seit 6 Jahren mit der Statistik-Beratung Novustat selbstständig und berät mit seinem Team schwerpunktmässig Kunden aus dem Bereich Pharma, Medizintechnik und Industrie bei allen Fragen rund um statistische Auswertungen."

Statistik-Beratung Novustat

8. Ausblick

In einem der nächsten Blogbeiträge werden wir wieder das Thema "Studientypen" aufnehmen und uns die Zulassungsstudie nach MDR Artikel 62 näher anschauen.

9. Wie wir Ihnen helfen können

Ob überhaupt und wenn ja welche klinische Prüfung unter welchen Voraussetzungen und gemäß welchen Anforderungen durchgeführt werden muss, klären wir bei medXteam im Rahmen der Pre-Study Phase: In 3 Schritten ermitteln wir die richtige und kosteneffiziente Strategie in Bezug auf die in Ihrem Fall erforderliche klinische Datenerhebung.

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[1] https://www.thieme.de/statics/dokumente/thieme/final/de/dokumente/zw_das-gesundheitswesen/gesu-suppl_klein.pdf

 

 

Die Blogreihe der medXteam GmbH geht im neuen Jahr weiter und greift mit dem ersten Beitrag 2021 das Thema DiGA-Studien auf.

Zugrundeliegende Regularien

Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG)
Digitale Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV)
DiGA-Leitfaden

1. Was ist eine DiGA?

Der Leitfaden gibt in Kapitel 2.1 eine Definition der „digitalen Helfer in den Händen der Patienten“. Demnach sind digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) Medizinprodukte der Risikoklasse I oder IIa (nach MDR oder, im Rahmen der Übergangsvorschriften bzw. bis zum Geltungsbeginn der MDR am 26.05.2021, nach MDD). Dabei beruht

  • die Hauptfunktion der DiGA auf digitalen Technologien.
  • Die DiGA ist keine digitale Anwendung, die lediglich dem Auslesen oder Steuern eines Gerätes dient; der medizinische Zweck muss wesentlich durch die digitale Hauptfunktion erreicht werden.
  • Die DiGA unterstützt die Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten oder die Erkennung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen.
  • Die DiGA dient nicht der Primärprävention (siehe auch Kapitel 2.1.4 DiGA in der Prävention).
  • Die DiGA wird vom Patienten oder von Leistungserbringer und Patient gemeinsam genutzt, d. h. Anwendungen, die lediglich vom Arzt zur Behandlung der Patienten eingesetzt werden („Praxisausstattung“), sind keine DiGA.“

DiGA sind somit zugelassene Medizinprodukte, die ein CE-Zeichen tragen und somit die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen gemäß Anhang I der MDR erfüllt haben. Allerdings nur die Medizinprodukte der Klasse I und Klasse IIa. Auch die, die durch die MDR von Klasse I auf Klasse IIa hochgestuft werden. Doch alle Medizinprodukte der Klasse IIb und III und die, die unter der Richtlinie 93/42/EWG (MDD) unter die Klasse IIa fallen und mit der MDR in Klasse IIb und höher eingestuft werden, gehören nicht zu der Gruppe der DiGAs. Für diese kann keine Aufnahme in das Verzeichnis erfolgen.

2 Wie kommt die DiGA in das Erstattungsverzeichnis?

Das DiGA-Verfahren ist grundsätzlich nur mit einem CE-gekennzeichneten Produkt möglich. Der Hersteller kann nun entscheiden, ob er direkt und endgültig in das Verzeichnis aufgenommen werden möchte oder ob dies zunächst vorläufig geschehen soll.

Das Verfahren ist als sogenanntes „Fast-Track-Verfahren“ konzipiert.

 

Bild1-DiGA: Ablauf des Fast-Track-Verfahrens. Quelle: DiGA-Leitfaden von BfArM

Bild2-DiGA: Antrag auf endgültige Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis. Quelle: DiGA-Leitfaden von BfArM

Um als DiGA in das Erstattungsverzeichnis (DiGA-Verzeichnis) aufgenommen zu werden, sind verschiedene Anforderungen zu erfüllen und das Prüfverfahren beim BfArM muss erfolgreich durchlaufen werden. Dazu gehören unter anderem ein Evaluationskonzept und eine darauf aufbauende klinische Studie. Was bedeutet dies für die besagten Medizinprodukte? Wie können die Anforderungen erfüllt werden und wie kann das Verfahren am besten abgewickelt werden?

2.1 Was ist eine DiGA-Studie?

Neben den allgemeinen Anforderungen

  • Sicherheit und Funktionstauglichkeit
  • Datenschutz
  • Informationssicherheit
  • Interoperabilität

und weiteren Qualitätsanforderungen wie:

  • Robustheit
  • Verbraucherschutz
  • Nutzerfreundlichkeit
  • Unterstützung der Leistungserbringer
  • Qualität der medizinischen Inhalte
  • Patientensicherheit

muss der Hersteller einer DiGA nachweisen, welche positiven Versorgungseffekt realisiert werden. Der DiGA-Leitfaden definiert den positiven Versorgungseffekt folgendermaßen:

„Besonderer Schwerpunkt liegt, wie in der Definition der DiGA gemäß § 33a SGB V bereits angelegt, auf der Patientenzentrierung der nachzuweisenden Effekte. Sowohl medizinischer Nutzen als auch patientenrelevante Struktur und Verfahrensverbesserungen beziehen sich unmittelbar auf die Patienten und sind mittels entsprechender Endpunkte nachzuweisen.“

Ein medizinischer Nutzen (mN) ist demnach:

  • eine Verbesserung des Gesundheitszustands (z. B. Reduzierung von Schmerzen, Verbesserung von Symptomen, …),
  • eine Verkürzung der Krankheitsdauer (z. B. verkürzte Dauer der Krankschreibung, verkürzte Therapiedauer, …),
  • eine Verlängerung des Überlebens oder
  • eine Verbesserung der Lebensqualität.

Patientenrelevante Struktur und Verfahrensverbesserungen (pSVV) sind:

  1. Koordination der Behandlungsabläufe,
  2. Ausrichtung der Behandlung an Leitlinien und anerkannten Standards,
  3. Adhärenz,
  4. Erleichterung des Zugangs zur Versorgung,
  5. Patientensicherheit,
  6. Gesundheitskompetenz,
  7. Patientensouveränität,
  8. Bewältigung krankheitsbedingter Schwierigkeiten im Alltag

oder

  1. Reduzierung der therapiebedingten Aufwände und Belastungen der Patienten und ihrer Angehörigen.

2.2 Anforderungen an eine DiGA-Studie

Der Gesetzgeber stellt an eine DiGA-Studie besondere und klar definierte Anforderungen. Diese werden im DiGA-Leitfaden beschrieben:

  • Grundsätzlich ist eine klinische Studie durchzuführen, Publikationen alleine reichen nicht aus.
  • Der Hersteller muss in dieser Studie mindestens einen positiven Versorgungseffekt, der entweder aus dem Bereich des medizinischen Nutzens oder aus dem Bereich der patientenrelevanten Struktur und Verfahrensverbesserungen kommt, nachweisen.
  • Zunächst sind die Patientengruppe und somit die Indikationen für die DiGA, für welche die Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis beantragt wird, festzulegen. Nur für diese Indikationen erfolgt dann die Erstattung. Gemäß Leitfaden müssen die Definition und Eingrenzung dieser Patientengruppe „anhand einer oder mehrerer Indikationen nach ICD-10 erfolgen, wobei ausschließlich sowohl drei- als auch vierstellige Angaben zulässig sind.“
  • Die Studie muss eine Überlegenheitsstudie sein, da sie zeigen muss, dass die Anwendung der DiGA besser ist als die Nichtanwendung. Deshalb handelt es sich um eine kontrollierte klinische Studie: Die Auswahl der Vergleichs- oder Kontrollgruppe muss dabei an der Versorgungsrealität orientiert sein. Beim Vergleich mit einer Behandlung ohne Anwendung einer DiGA ist z. B. auch ein Vergleich mit der Standardbehandlung (dem Standard of Care) möglich. Oder der Vergleich versus Nichtbehandlung bietet sich dann an, wenn eine DiGA zum Beispiel eine Versorgung für Patientinnen und Patienten anbietet, die andernfalls in der Mehrzahl unbehandelt blieben und ggf. auf einen Therapieplatz warten würden.
  • Bei der Studie muss es sich um eine quantitative vergleichende Studie handeln und die gewählte Methodik muss adäquat zum gewählten Untersuchungsgegenstand sein. Folgenden Designs sind möglich:
    • beobachtende/analytische Studie: z. B. Fall-/Kontrollstudien, Kohortenstudien
    • experimentelle Interventionsstudie: z. B. nichtrandomisierte/randomisierte kontrollierte Studien
    • Metaanalysen in Auswertung auch eigener Primärdaten
  • Die DiGA-Studie kann einen prospektiven oder retrospektiven Ansatz haben. Letzteres beispielsweise dann, wenn das Medizinprodukt schon lange auf dem Markt ist und die passenden Daten in der geforderten Form (vergleichend) bereits mit der DiGA erhoben und entsprechend dokumentiert wurden).
  • Die DiGA-Studie muss in Deutschland durchgeführt werden: Entweder als PMCF-Studie, wenn das Medizinprodukt bereits zugelassen ist (Artikel 74 der MDR oder bis Mai 2021: § 23b MPG) ) oder als Zulassungsstudie zum Nachweis der Konformität des Medizinproduktes mit den grundlegenden Leistungs- und Sicherheitsanforderungen (Artikel 62 der MDR oder bis Mai 2021: §§ 20 – 23a MPG).
  • Die DiGA-Studie muss weiterhin in ein Studienregister eingetragen werden und die Ergebnisse sind vollständig zu veröffentlichen
  • Für die DiGA-Studie sind folgende Regularien für klinische Prüfungen mit Medizinprodukten anzuwenden:
    • DIN EN ISO 14155 „Klinische Prüfung von Medizinprodukten an Menschen – Gute Klinische Praxis“ und die Richtlinie der FDA „Design Considerations for Pivotal Clinical Investigations for Medical Devices“
    • Bei einer ärztlichen Beteiligung gelten die ethischen Grundsätze der Deklaration von Helsinki.
    • Es muss mindestens eine berufsrechtliche Beratung bei einer Ethik-Kommission durchgeführt werden (siehe PMCF-Studie - § 23b MPG!) oder unter der MDR mindestens dann eine Stellungnahme der Ethikkommission eingeholt werden (Artikel 74 der MDR).

Das zeigt die Schnittstelle zu den Medizinprodukte-Regularien und die mögliche Nutzung dieser so erhobenen klinischen Daten für das PMCF (oder für die Zulassung des Medizinprodukts. Es empfiehlt sich deshalb dringend die Einhaltung der ISO 14155 und der MPG-/MDR-Anforderungen.

3. Was wir für Sie tun können

Eine DiGA-Studie ist eine nationale Besonderheit, schon alleine deshalb, weil sie nur in Deutschland durchführt werden kann. Es ist auch eine Studienanforderung an Medizinprodukte, für die normalerweise bzw. in der Regel im Rahmen der Erfüllung der grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen für Medizinprodukte bei deren Nachweis in der klinischen Bewertung auf klinische Daten verzichtet werden kann. Stattdessen werden Leistungsdaten herangezogen.

Grundsätzlich holen wir DiGA-Hersteller dort ab, wo sie stehen und wir versuchen, regulatorische Medizinprodukte- mit DiGA-Anforderungen im Hinblick auf die klinische Studie möglichst miteinander zu verbinden, da ein solcher Aufwand durchaus für beide Bereiche genutzt werden kann. Somit können zwei Fliegen(MDR und DVG) mit einer Klappe geschlagen werden. Das fängt z. B. bei der Formulierung der richtigen Zweckbestimmung des Medizinprodukts an, um später bei Verhandlungen mit der Krankenkasse auch punkten zu können. Es geht mit der Einschätzung des richtigen Zeitpunkts der DiGA-Studie, mit dem Evaluationskonzept und der Studienplanung weiter und endet mit dem Nachweis des positiven Versorgungseffektes.

Deshalb erarbeiten wir mit den DiGA-Herstellern zunächst eine Strategie, wie sie auf ihrem Versorgungspfad nun optimal den positiven Versorgungseffekt nachweisen können. Und zwar abhängig von ihrer Ausgangssituation und von ihren Zielen.

4. Ausblick

Im nächsten Blogbeitrag werden wir uns einem wesentlichen Bestandteil der Planungsphase einer klinischen Prüfung, der statistischen Fallzahlplanung, detailliert zuwenden. 

5. Wie wir Ihnen helfen können

Ob überhaupt und wenn ja welche klinische Prüfung unter welchen Voraussetzungen und gemäß welchen Anforderungen durchgeführt werden muss, klären wir bei medXteam im Rahmen der Pre-Study Phase: In 3 Schritten ermitteln wir die richtige und kosteneffiziente Strategie in Bezug auf die in Ihrem Fall erforderliche klinische Datenerhebung.

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